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Die heile Welt des Elbflorenz
zerbarst im Hagel der Bomben

Angriff auf Dresden vor 60 Jahren präsise geplant - niemand zählte alle Toten

Von Reinhard Brockmann
Dresden (WB). Es war Krieg und es war Karnvevalsdienstag in Dresden am 13. Februar 1945. Schon 174 Mal hatten in viereinhalb Jahren die Sirenen geheult, doch es gab nur ganz wenige wirkliche Luftangriffe. Kinder zogen bunt verkleidet durch die Stadt.

»Elbflorenz« werde aus Respekt vor der Kultur geschont, es solle nach der Kapitulation deutsche Hauptstadt werden und Churchills Cousine wohne hier, hatte man sich eingeredet. Aber um 22.03 Uhr zerbarst die heile Welt in einem Inferno aus 40 000 Strahlbrand-, 250 Feuerstrahl- und 3000 Sprengbomben.
Niemand weiß, nicht einmal die Besser-Wisser von Sachsens NPD, wie viele Menschen wirklich starben. Viele Leichen wurden im Feuersturm geradezu atomisiert.
Die Stadt war übervoll. Es gab 640 000 gemeldete Einwohner, mit Flüchtlingen hielten sich schätzungsweise eine Million Menschen hier auf. Die Toten wurde nicht registriert, wohl aber die Ruinen nach drei Tage währendem Feuer: 16 000 Häuser, 25 Kirchen, 20 Krankenhäuser und 70 Schulen lagen in Trümmern.
Der Dresdenangriff, schreibt Jörg Friedrich in seinem unumstrittenen maßgeblichen Buch »Der Brand«, ging zurück auf alliierte Pläne aus dem Sommer 1944, einen »Donnerschlag« (engl: thunderclap) abzuhalten als »Kolossalmassaker mit mehr als 100 000 Toten - gedacht war an Berlin«. Als Probelauf für Dresden diente der Angriff auf Darmstadt am 12. September 1944, wo die Bombergruppe fünf den »Feuersturm« - aus ihrer zynischen Sicht - in Idealform entwickelte.
Auch in Dresden wurde ein Zielgebiet in Fächerform angelegt. Die Spitze des Viertelkreises markierte grünes Feuer am Sportplatz des DSC beim Großen Ostragehege. Friedrich: »Die Qualität der Bombardierung besteht darin, die Fächerfläche gleichmäßig mit Feuer, Druckwellen und Explosion zu überziehen.« Und : »Wie eine Paste wird das aufgetragen«.
Binnen einer halben Stunde war der präzise geplante Feuersturm entfacht. Das Prinzip, mehr Brandherde zu erzeugen, als die örtliche Feuerwehr löschen kann, hatte Weltkrieg-I-Flieger Oberstleutnant Wilhelm Siegert schon 1927 beschrieben. Die einzelnen Herde schlössen sich zusammen, erhitzte Atmosphäre schieße wie im Riesenkamin nach oben, die längs des Bodens nachstürzende Luft erzeuge Sturm, der wiederum die Brandfläche ausweite und fünfstellige Opferzahlen, vor allem in engen Altstädten, sicherstelle.
Der Schüler Bernd Martin, der wegen vermeintlichen Gasalarms aus dem Luftschutzkeller in die brennende Stadt stürzte, berichtete: »Uns schlug so eine Hitze entgegen, dass wir nur mit Mühe zu dem kleinen Haus am Seidnitzer Platz kamen... Nach mehreren Versuchen - der Flammensturm warf uns fast zu Boden - haben wir einen rettenden Löschteich erreicht.«
Die zweite Angriffswelle, von 01.16 Uhr an, erlebte der Junge so: »Die Bäume ringsum brannten und Phosphor tropfte herunter... Das Bassin war zum Teil noch mit Eis bedeckt, doch viele sprangen in Verzeifelung in das dreieinhalb Meter tiefe Löschbecken.«
Anita John überlebte ohnmächtig unter einer Decke, die der Vater so lange wie möglich mit Wasser übergoss. Als sie nach Tagen ihre Eltern fand, waren sie »tot, erstickt, wie schlafend. Helfer hatten sie vors Haus gelegt. Dort lehnte auch eine tote Frau an der Wand - mit Lockenwicklern im Haar.« Am Altmarkt sah sie Leichenberge, »so hoch aufgeschichtet, dass ich nicht drübergucken konnte. «

Artikel vom 11.02.2005