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Fußball aus dem Schaufenster

Auch das 2:2 gegen die Argentinier ist ein Hoffnungsspender für die WM

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Düsseldorf (WB). Die Fußball-Nationalmannschaft kommt weiter in den Genuss wohl gesonnener Betrachtungsweisen. Freundliche Komplimente haben die kritischen Abrechnungen verdrängt.

Im Augenblick zählt auch nicht so sehr das Resultat, sondern viel mehr, was die DFB-Auswahl spielerisch zu bieten hat. Und darum lässt sich auch das 2:2 gegen Argentinien bestens als Hoffnungsspender im Hinblick auf die WM 2006 verwenden. Das Motto ist gleich geblieben, seitdem Jürgen Klinsmann im vergangenen September den Bundestrainerposten übernahm: Es kommt was in Gang. In Deutschland wird wieder Schaufenster-Fußball gespielt. »Da ist es nicht so schlimm, dass wir wieder keinen Großen geschlagen haben«, akzeptierte Bastian Schweinsteiger klaglos den späten Ausgleich des zweifachen Weltmeisters. »Von mir aus können wir jetzt gegen Italien und Holland auch verlieren. Hauptsache, wir brechen den Fluch 2006.«
Seit 52 Monaten warten die Deutschen nun schon darauf, einen dicken Fisch zu angeln. Nach den Toren von Torsten Frings (28./Foulelfmeter) und Kevin Kuranyi (45.) waren sie so dicht dran wie lange nicht mehr, nur Hernan Crespo (40./Foulelfmeter/80.) vom AC Mailand verdarb ihnen den Siegesspaß. Doch die von 52 000 Zuschauern gefeierten Gastgeber hatten den Südamerikanern in der Düsseldorfer LTU-Arena außerordentlich zugesetzt. Erst gegen Ende, als nach den temporeichen Aktionen der ersten Stunde zuerst etwas die Luft und anschließend auch die Konzentration ausging, stellte sich Argentinien vor - immerhin ein, wenn nicht sogar der WM-Favorit. »Wie wir so eine Weltklasse-Mannschaft von Beginn an unter Druck gesetzt haben, verdient ein Riesenkompliment«, hob der begeisterte Bundestrainer zur nächsten Lobeshymne an, über die man trotz seiner noch kurzen Amtszeit fast schon den Überblick verloren hat.
Es fiel in der Sturm- und Drangphase nicht einmal auf, dass der Rasenchef nicht mit von der Partie war. Als stellvertretender Einsatzleiter für seinen grippal flach gelegten Bayern-Gefährten Michael Ballack machte sich Torsten Frings so gut, dass er für sich selbst auch einen dicken Schluck aus dem allgemeinen Freudenbecher nahm: »Ich habe ein gutes Länderspiel gemacht.« Und wenn ihm das Fehlen seines Kapitäns schon nicht gänzlich entgangen war, so glaubte Frings doch, dass Ballacks Mitwirken nur einen Unterschied verursacht hätte: »Dann hätte er den Elfmeter geschossen.«
Auch Bernd Schneider beteiligte sich an der flotten Spielgestaltung. Der Leverkusener erinnerte daran, auf der zentralen Mittelfeld-Position schon im WM-Finale 2002 Famoses geleistet zu haben, als der damals gesperrte Ballack ebenfalls aussetzte. »Diese Rolle spiele ich am liebsten«, meldete Schneider Ansprüche eines Gestalters an.
Nun ist es trotzdem nicht so, dass sich Klinsmann vor Bossen im Mittelfeld kaum retten könnte, sonst wäre hier sicher eher auf den Ball getreten worden. Zuviel Übermut ersetzte prompt den cleveren Spielüberblick. »Da hat man gesehen, dass wir viele junge Leute auf dem Platz hatten. In so einem Spiel muss du auch mal das Tempo rausnehmen, den Ball abschirmen, das Ergebnis halten«, rügte Assistenztrainer Joachim Löw. »Wir haben uns von den Argentiniern zum Schluss in einen offenen Schlagabtausch führen lassen. Und wenn die erst mal ins Rollen kommen, sind sie gnadenlos.«

Artikel vom 11.02.2005