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Die Hysterie
der HeuchlerVon Oliver Kreth


Erst standen sie lange auf der Leitung, dann stimmten die Heuchler ihr hysterisches Nach-Hoyzer-Geheul an. Warum sie so lange glaubten oder glauben machen wollten, der Fußball sei ein Biotop für Anständige, wird wohl ewig ihr gut gehütetes Geheimnis bleiben.
Dass sich in einem Umfeld, wo national und international Milliarden umgesetzt werden, wo schwitzende Kurzhosen-Träger, die häufig von gegelten Kicker-Luden gelenkt werden, einen Status erreichen, der früher Wissenschaftlern, Künstlern und Staatsmännern zukam, auch Kriminelle tummeln - ernsthaft darf das niemanden verwundern. Auch nicht, dass so ein Optik-David-Beckham-für-Arme denkt: »Ich bin ein Star, drauf wette ich.«
Schließlich wird - nicht nur im Sport - durch Trainer, Freunde, Eltern und auch Medien folgende Maxime unter die nach Star-Kult Strebenden gestreut: Gewinnen ist nicht alles, es ist das Einzige.
So wird weiter und ständig munter betrogen. Doping lebt. Selbst der weiße Sport hat dunkle Wett-Flecken. Und dass die Mafia gerne ein gewichtiges Wort mitspricht, dokumentiert nichts besser als der Sport der harten Männer.
So gilt Muhammad Ali als der erste Schwergewichtsweltmeister aus den USA, der nicht am Gängelband dieser kriminellen Gangs hing. Auch über zahlreiche Ring- und Punktrichterentscheidungen wurde häufig der gnädige Mantel mildtätiger Nächstenliebe gehängt.
Der nicht gerade geringe Grad an Heuchelei lässt sich beim Deutschen Fußballbund auch im Kampf gegen Drogen dokumentieren. Bewegende Bilder, weihevolle Sätze für die Freiheit von Abhängigkeit. Aber gleichzeitig werben die Nationalspieler vor fußballerischen Großereignissen für den DFB-Premium-Partner aus der Bierbrauer-Zunft. Diese Art von PR wird sicher nicht dazu führen, dass der häufig schon im Jugendbereich zum Training gehörende Kasten Bier aus der Kabine verschwinden wird.
Genauso ein Plazebo ist auch die angedachte Einführung des Videobeweises. Wie müssen wir uns das vorstellen? Beispiel die Partie Deutschland - Argentinien in Düsseldorf: Nicht einmal in der fünften Wiederholung war eindeutig zu sehen, ob die rechte Hand von Jens Lehmann in einer Szene die Beine Hernan Crespos berührt hat, oder ob der Stürmer die argentinische Schwalbe fliegen ließ. Demnächst Spiel anhalten, angucken, Entscheidung treffen. Aber was, wenn erst in Wiederholung 20 nach dem Match Klärung möglich ist? Wiederholen, oder zahlt eine noch vom DFB abzuschließende Versicherung zur Abdeckung falscher Videobeweis-Führung bei nationalen Spielen eine Entschädigung?
Der nächste Fall Hoyzer kommt bestimmt. Wahrscheinlich nicht im Fußball. Vielleicht ist es diesmal kein Schiri. Aber es wird passieren. Denn der Sport ist keine Oase der Rechtschaffenen. Aber wieder werden die Heuchler danach hysterisch heulen: Wie? In meinem Sport? Kann nicht sein. Aber klar doch.

Artikel vom 15.02.2005