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Supermarkt zu unübersichtlich

Konsumforscher raten Einzelhandel vom »ständigen Umsortieren« ab

Von Dietmar Kemper
Bielefeld/Nürnberg (WB). Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg warnt den Lebensmitteleinzelhandel vor der »ewigen Baustelle Regal«.

Weil in Supermärkten »ständig umsortiert« werde, fühlten sich Verbraucher gestresst, sagte Wolfgang Twardawa von der GfK dieser Zeitung. Kunden zögen Übersichtlichkeit einer großen Auswahl vor. »Tankstellenshops boomen auch deshalb, weil die Verbraucher dort das Gesuchte schnell finden und dadurch Zeit sparen«, berichtete Twardawa aus der Marktforschung. Für Bequemlichkeit seien die Menschen bereit, in Tankstellen einen höheren Preis zu zahlen. Weil in Supermärkten »zu viele Änderungen« vorgenommen würden, hapere es an der Übersichtlichkeit. Twardawa: »Wenn ein Kunde vier Mal suchen musste, sich also geärgert hat, kommt er so schnell nicht wieder.«
Discounter wie Aldi und Lidl würden nicht nur wegen der niedrigen Preise aufgesucht. Aldi setze erfolgreich auf das Prinzip Einfachheit. »Das Unternehmen reduziert den Stress der Käufer dadurch, dass die Waren immer am selben Platz stehen«, erklärte der GfK-Experte. Ein Aldi-Markt kommt mit gut 700 Produkten aus. »Aldi wurde zum Prototypen der Einfachheit«, betont dessen ehemaliger Geschäftsführer Dieter Brandes.
Dagegen umfasst ein Marktkauf-Warenhaus der zu Edeka gehörenden AVA in Bielefeld inzwischen 60 000 Artikel. Lebensmittelfirmen bringen jedes Jahr eine Fülle neuer Produkte auf den Markt. »Wir könnten unser Sortiment theoretisch unendlich ausweiten, aber das Warenhaus muss übersichtlich bleiben«, sagte AVA-Sprecherin Andrea Ebert dieser Zeitung. Die Überlebensrate neuer Produkte sei mit nur 20 Prozent gering. In den Marktkauf-Häusern wurden 2004 abgesehen von Gemüse, Obst und Getränken 2100 Waren wieder rausgeworfen.
Auch wenn sich so manche Neuheit als Flop herausstelle, legten die Kunden neben Frische und Service auf breite Auswahl großen Wert, betonte Ebert. Genuss werde inzwischen dem Geiz vorgezogen: »Die Leute sind es müde, immer dem niedrigsten Preis hinterher zu laufen.«
Der GfK-Marktbeobachter Twardawa bestätigt die AVA nicht in allen Punkten. Vor allem an der Fleisch- und Käsetheke sowie der Gefriertruhe mit Fisch wünsche der Kunde Angebotsvielfalt, bei Waschmittel und Toilettenpapier dagegen nicht. Das Werbeargument der Vielfalt verpuffe dann, wenn die Übersichtlichkeit im Geschäft leidet. Twardawa: »Niemand möchte seine Lieblingsmarmelade minutenlang unter 30 verschiedenen Produkten suchen.«

Artikel vom 12.02.2005