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Jahresrückblick in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede II. Mit dabei: Matthias Schumann (Leiter Arbeitsverwaltung), Anstaltsbeiratsvorsitzende Angelika Wilmsmeier und Anstaltsleiter Uwe Nelle-Cornelsen (v. l.).Foto: Annemargret Ohlig

So wenig »Flüchtige«,
wie seit 20 Jahren nicht

Zahl der suchtabhängigen Gefangenen nimmt weiter zu

Von Annemargret Ohlig
Ummeln (oh). Das Positive zuerst: So niedrig wie 2004 war die Anzahl der Strafgefangenen, die den Begriff »offener Vollzug« zu wörtlich nehmen und sich vor Ablauf ihrer Haftstrafe »über den Zaun« oder ähnlich illegal aus der Ummelner Justizvollzugsanstalt davon machen, seit mehr als 20 Jahren nicht mehr.

»Während wir Ende der neunziger Jahre eine dreistellige Zahl zu verzeichnen hatten - 1997 gab es beispielsweise 112 Entweichungen - waren es im Vorjahr noch 30«, zeichnet JVA-Leiter Uwe Nelle-Cornelsen gestern bei der Jahrespressekonferenz die erfreuliche Entwicklung auf. Diese ist nicht die einzige. Auch bei der Belegung der Haftanstalt war der Trend wieder leicht rückläufig - mit einer Durchschnittsbelegung von 320,8 Gefangenen.
Eine solche Zahl müsse auch unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, dass die vor 36 Jahren als Provisorium für eine »Übergangszeit« gebaute JVAII eigentlich nur Platz für 330 Gefangene biete. Außerdem fließen in die Durchschnittszahl die niedrigen Belegungen während der Wochenenden ein. Der Grund: Als Vollzugslockerung kann bestimmten Gefangenen Urlaub gewährt werden.
Tatsächlich werde sich die schwierige Belegungssituation, mit insgesamt 1309 Neuaufnahmen im vergangenen Jahr und derzeit 343 Häftlingen erst dann bessern, wenn Anfang 2006 der Neubau mit 376 Haftplätzen bezugsfertig ist, so Nelle-Cornelsen. Besser werden noch einiges mehr. Denn in dem Gebäude, dessen Rohbau pünktlich zum Jahresende 2004 fertiggestellt wurde, sollen in einer eigenen Abteilung gezielte Maßnahmen möglich werden. Mit denen will die JVA-Leitung einem Problem entgegenwirken: der steigenden Zahl der Ersatzfreiheitsstrafen.
Waren es 2003 im Jahresdurchschnitt etwa zehn Prozent der Gefangenen, die wegen einer nicht bezahlten Geldstrafe in Haft genommen wurden, so stieg ihr Anteil 2004 erstmals seit vielen Jahren wieder - auf bedauerliche 14,4 Prozent. »Auf diese Gefangenen soll so eingewirkt werden, dass sie möglichst ihre Geldstrafe bezahlen - um die Freiheitsstrafe zu reduzieren«, erklärt der Anstaltsleiter.
Nach wie vor sehr hoch ist mit 18,11 Prozent der Anteil der Inhaftierten in der Ummelner Justizvollzugsanstalt, die zwar einen deutschen Pass besitzen, aber im Ausland geboren wurden. Weitere Zahlen: Hier geborene Deutsche machen 64,63 Prozent der Häftlinge aus, Ausländer sind mit 17,27 Prozent vertreten.
Auch der Anteil der suchtabhängigen Gefangenen (Drogen und/oder Alkohol) nimmt stetig zu. Auch darunter stammt ein erheblicher Anteil aus der ehemaligen Sowjetunion. »Als Aussiedler der zweiten Generation«, so der Anstaltsleiter.
Im vergangen Jahr wurden allein 593 Zugänge durch die Suchtberatung als erheblich suchtgefährdet erfasst. Nelle-Cornelsen: »Das entspricht fast der Hälfte aller Zugänge.« 38 Inhaftierte wurde mit Hilfe der JVA in Therapiemaßnahmen vermittelt. Und in der Drogenabteilung befanden sich im Jahresdurchschnitt etwa 35 überwiegend schwerstdrogenabhängige Gefangene.
Erfreulicher sind dagegen die Zahlen rund um Urlaubs- und Ausgangsgewährung. Insgesamt wurde im vergangenen Kalenderjahr in 6589 Fällen Urlaub und in 12469 Fällen Ausgang gewährt. Nur 32 Gefangene sind nicht oder nicht freiwillig innerhalb von 24 Stunden nach Urlaubsende in die Anstalt zurückgekehrt. 27 von ihnen wurden allerdings bis Ende vergangenen Monats wieder ergriffen oder haben sich wieder selbst gestellt. Von Ausgängen kehrten sogar nur in zwölf Fällen Gefangene nicht zurück.

Artikel vom 10.02.2005