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Zu Aschermittwoch

Von Pfarrer Dr.Dr.Markus Jacobs


Wenn man vor tausend Jahren Konfetti und Luftschlangen gekannt hätte, wären sie dann an Aschermittwoch im Gottesdienst verbrannt worden?
Haben Sie sich schon mal gefragt, woher die Asche kommt, aus der am Aschermittwoch das Aschenkreuz gezeichnet wird? Irgendetwas muss doch verbrannt worden sein, um überhaupt Asche in den Händen zu haben. Drängen sich da nicht Konfetti und Luftschlangen auf, denn sie sind doch gerade mit dem Anfang der Fastenzeit und dem Ende des Karnevals überflüssig geworden?
Das Bestreuen des Kopfes mit Asche als Zeichen der Umkehr, der Erneuerung und der Buße ist alt. Die Christen haben es bereits von den Juden übernommen. Asche aber gewinnt man erst nach dem Verbrennen, und im Feuer verbrannt werden sollte symbolisch alles von Gott Ablenkende, alles von Gott Trennende. Dieses Zeichen der Asche wurde bereits von den Juden viele Jahrhunderte vor Jesus als äußeres Erkennungszeichen auf den Köpfen der Umkehrbereiten ausgestreut. Wer es nachlesen will: das Buch Jona in der Bibel berichtet davon, wie sich die Einwohner einer ganzen Stadt aus Zerknirschung über ihre von einem Mann Gottes kritisierte Lebensweise mit Staub und Asche bestreuten (Jona 3,6). Und in ihrem tiefsten Sinn steht die Asche sogar für die Vergänglichkeit des Menschen selbst, der sich bewusst bleiben muss, dass er irgendwann zu Staub zurückkehrt.
Aber die Christen haben keine Karnevalsutensilien verbrannt und dann diese Asche benutzt. Das hätte ja bedeutet, sie würden die Freude und den Schwung der karnevalistischen Feiern brandmarken wollen. Und obwohl an Karneval so viel Verkleidung, so viel Schmuck und so viel Reste von Feiern hätten zu Asche verarbeitet werden können, ist nie eine so kurzsichtige Übertragung vollzogen worden.
Stattdessen ist die Asche von ganz anderer Stelle genommen. Sie wird gewonnen aus den Palmzweigen, die am Palmsonntag des Vorjahrs in den Kirchen geschwenkt worden waren, als man sinnbildlich den Einzug Jesu in Jerusalem kurz vor seinem Tod nachvollzog.
Denn diese Palmzweige und diese Einzugsprozession, sie haben es in sich. Da rief damals eine große Menschenmenge mit voller Überzeugung beim Einzug Jesu in die Hauptstadt „Hosianna dem Sohne Davids“ und wollte damit sagen, dass sie ihn als gottgesandten Messias anerkennen würde. Dabei rissen sie Zweige von den Bäumen und legten sie dem auf einem Esel Einreitenden zu Füßen. Wenige Stunden später sind es aber wenigstens teilweise dieselben Menschen gewesen, die schrieen „Ans Kreuz mit ihm“.
Die Palmzweige sind also doppeldeutig: Sie bezeichnen eine wirklich treffende Verehrung Gottes, aber sie stehen auch für das schnelle Umkippen des Menschen. Und genau dies gilt bis heute: wir haben als Gläubige eine Einsicht, doch die halten wir im Leben nicht unbedingt durch. Schon wenig später können wir diese Überzeugung im Trubel des Alltags mit seinen ganzen Fußangeln völlig über Bord werfen. Von einem Leben, das in den Augen der ewigen Liebe in Gott bestehen kann, ist dann nicht mehr viel über.
Deshalb haben die Christen schon im zwölften Jahrhundert begonnen, die Asche von Aschermittwoch aus dem Verbrennen der alten Palmzweige zu gewinnen. Keiner von uns Christen war das letzte Jahr seit Ostern bewusst bösartig. Aber die guten Überzeugungen kommen eben so schnell unter die Räder. Dies gilt gleichermaßen für innere Haltungen, für körperliche Laster, für schlechte Lebensgewohnheiten, für ständige Lieblosigkeiten anderen Menschen gegenüber.
Die Asche von Aschermittwoch schließt all solche Erfahrungen des Umkippens ein. Aber sie will sie nicht einfach überdecken. Sondern sie möchte in aller Ehrlichkeit einen Neuanfang versuchen - mit Gottes Hilfe. Das ist das Angebot der Fastenzeit. Nutzen wir es.

Artikel vom 09.02.2005