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Den klassischen Flüchtling
aus der Armut gibt es kaum

Probleme und Erfolge der Ausländerbehörde

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Auf einem Rekordtiefstand ist die Zahl der Asylsuchenden angekommen. Die Beamten der Zentralen Ausländerbehörde am Stadtholz können sich dennoch über Arbeitsmangel nicht beklagen.

»Seit die Regierung manche Sozialleistungen für Asylsuchende gestrichen hat, sind die Zahlen rückläufig«, erklärt ZAB-Leiter Torsten Böhling. Im Jahr 2003 hatte die Behörde noch 3708 Fälle bearbeitet, im vergangenen Jahr waren es lediglich 2961. Bundesweit beantragten zuletzt nur 39 000 Menschen Asyl; die Spitze war 1992 mit 438 000 erreicht.
Entgegen weitverbreiteter Ansicht sind viele Asylbewerber nicht etwa ungelernte Arbeiter, sondern oft recht gut ausgebildet. »Mancher Schwarzafrikaner aus der Tourismusbranche gewinnt Auslandserfahrung und Sprachkenntnisse via Asylantrag«, berichtet Böhlings Stellvertreterin Marie Luise Brakensiek. Die klassischen Armutsflüchtlinge schaffen es ohnehin kaum aus Afrika nach Deutschland: »Die versuchen ihr Glück gleich jenseits der Grenze im Nachbarstaat.«
Die Osterweiterung der EU hat dem Asylproblem einiges an Schärfe genommen. Zwei von bislang vier ZAB in NRW wurden geschlossen, aber das heißt keineswegs, dass die Beamten in Bielefeld und Düsseldorf nicht immer noch alle Hände voll zu tun hätten.
Das Hauptproblem liegt in der Beschaffung sogenannter Passersatzpapiere. »Wenn wir Glück haben, ist ein Fall in zwei Wochen erledigt, aber bis zum guten Ende können auch schon mal fünf Jahre vergehen«, sagt Böhling. Denn um einen abgelehnten Asylbewerber wieder in seine Heimat schicken zu können, bedarf es eines Dokumentes, das die Identität des potentiellen Rückkehrers verzeichnet. »Naturgemäß sind die Leute wenig auskunftsfreudig.«
Das fängt schon damit an, dass Asylbewerber - neun von zehn tragen keine Papiere bei sich -Êein falsches Herkunftsland angeben. Dann beginnt die Detektivarbeit. Beherrscht der Kandidat die Amtssprache seiner angeblichen Heimat? Spricht er wenigstens einen der lokalen Dialekte? 3530 Fälle von Passersatzbeschaffung wurden in Bielefeld im vergangenen Jahr bearbeitet (2003: 3204), die Erfolgsquote liegt bei nicht ganz 70 Prozent.
Viele Botschaften unterstützen die ZAB-Beamten, einige nicht. »Vor allem die Äthiopier machen Probleme«, verrät Böhling. »Die sind glücklich über jeden Landsmann, der seinen Lohn in die Heimat schickt. Warum also sollten sie uns helfen, wenn Passersatzpapiere nur dazu dienen, den Mann wieder zurückzubringen?«
Gut, dass Böhling auf hochmotvierte Mitarbeiter zurückgreifen kann - 58 sind es noch von 65 im Jahr 2004. »Geregelte Dienstzeiten sind hier unbekannt.« Oft an Wochenenden werden die Asylbewerber vorgeführt, denn dann hat das diplomatische Personal Zeit. In Bonn oder Berlin angekommen, meldet sich der Asylant: »Ich bin Nigerianer - was soll ich denn in der Botschaft von Kamerun?«
»Wir sind natürlich auch aufgerufen, uns über die Situation in den betreffenden Ländern zu informieren, wofür der Schreibtisch nicht gerade der geeignete Ort ist«, fügt Böhling hinzu. Und Meldewesen ist nicht gleich Meldewesen - die Bielefelder können ein Lied singen, wie lange es beispielsweise in Pakistan dauert, die Identität eines Mannes zu ermitteln: »Da fährt ein Dorfpolizist, sofern er gerade Zeit hat, über Land und fragt die Leute: Kennt ihr den?« Nach ostwestfälischen Bürostunden jedenfalls fragt am Hindukusch niemand.
Die ZAB Bielefeld, an die sich mehr Verwaltungsfachleute bewerben, als Stellen zu vergeben sind, kümmern sich schwerpunktmäßig um die Klientel aus China, Pakistan, Nepal, den Kaukasusstaaten, ferner aus Nordafrika. Für die Länder, die die meisten Asylbewerber stellen - Türkei, Serbien, Russische Föderation -, sind Behörden in anderen deutschen Städten zuständig.
Das Asylproblem ist allerdings kein deutsches, sondern ein gesamteuropäisches. »Unsere Politik ist sehr bemüht, Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen«, sagt Böhling. Gespräche über Rücknahmeabkommen aber müssen eben bilateral geführt werden: »Asylpolitik ist immer nur so wirksam, wie es unser Verhandlungspartner, der fremde Staat zulässt.«

Artikel vom 11.02.2005