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Tarifrecht flexibler gestalten

Verhandlungen für den öffentlichen Dienst in Potsdam ohne die Länder

Potsdam (ddp). Die möglicherweise entscheidenden Verhandlungen zur Tarifreform im öffentlichen Dienst haben gestern in Potsdam auf Spitzenebene begonnen und sind nach nach wenigen Stunden auf heute vertagt worden.

Im Mittelpunkt der zweitägigen Runde steht die Neugestaltung des Tarifrechts, das flexibler und leistungsgerechter gestaltet werden soll. Über das als »Jahrhundertreform« bezeichnete Projekt verhandeln öffentliche Arbeitgeber und Gewerkschaften schon seit 2003.
Da die Tarifgemeinschaft der Länder aus der Arbeitgeberfront ausgeschieden ist, sitzt sie nicht am Verhandlungstisch.
Damit wird zunächst ausschließlich über die Tarifreform für die 1,4 Millionen Arbeiter und Angestellten des Bundes und der Kommunen verhandelt. Die Modalitäten einer späteren Einbeziehung der Länder bleiben umstritten. Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, zeigte sich verhalten optimistisch, dass eine Einigung mit den Vertretern von Bund und Kommunen erzielt werden kann. Es gebe allerdings noch einige Hürden zu überwinden. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) betonte: »Wir haben die große Chance, eine grundlegende Reform der Tarifstrukturen zu erhalten.« Allerdings handele es sich um keine »einfache Übung«. Der Verhandlungsführer der Kommunen, Thomas Böhle, hob hervor, es gehe um ein umfassendes Tarifrecht, das flexibel gestaltet werden müsse.
Schily sagte, dazu gebe es Bereitschaft auf beiden Seiten. Es gehe vor allem um mehr Leistungsorientierung und Flexibilität. Zudem sollten bürokratische Strukturen abgeschafft werden. Allerdings stecke der Teufel bekanntlich im Detail. Bei den Verhandlungen lägen alle Fragen auf dem Tisch. Dabei gehe es auch um die Arbeitszeit. Für die Beamten sei bereits die 40-Stunden-Woche beschlossen worden.
Aus der Sicht von Bsirske gehören neue Arbeitszeitregelungen zu den schwierigen Verhandlungspunkten. Angesichts der hohen Massenarbeitslosigkeit müssten bei den Spitzengesprächen vernünftige Regelungen gefunden werden. Hinsichtlich möglicher Lohnforderungen für 2005 sagte der ver.di-Chef, das müsse im Gesamtpaket verhandelt werden.
Der Bund der Steuerzahler plädierte mit Blick auf die Kassenlage im öffentlichen Dienst für eine »echte Nullrunde«. Sowohl ver.di als auch der Beamtenbund dbb, die beide für die Arbeitnehmer verhandeln, hatten bereits in den vergangenen Tagen eine Nullrunde für 2005 abgelehnt.
Ob ein Verhandlungsabschluss später auch auf die Länder übertragen wird, ist noch ungewiss. ver.di hatte am Wochenende angekündigt, dass im Fall eines erfolgreichen Abschlusses eine Übertragung auf die Länder und damit auf die insgesamt 2,4 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes notfalls mit Streik durchgesetzt werden könnte. Der turnusmäßige Vorsitzende der Tarifgemeinschaft der Länder, Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), stellte klar, er sei nicht bereit, einen von Bund und Ländern ausgehandelten Tarifvertrag zu übernehmen. Dazu müsse gesondert verhandelt werden.
Die Länder seien bis auf ein, zwei Ausnahmen pleite. Nötig seien daher längere Arbeitszeiten und Nullrunden. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte, es gebe ein »deutliches Interesse, eine Lösung für den gesamten öffentlichen Dienst zu erreichen«.

Artikel vom 08.02.2005