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Ein Drittel kann Umsatz steigern

Aber noch nie gab es so viele Unternehmensinsolvenzen im Handwerk wie 2004

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Zum Jahreswechsel 2004/05 und jetzt, zur Karnevalszeit, werden genau so viele Berliner Ballen in Bielefelds Bäckereien verkauft wie in den Vorjahren. Darüber immerhin freut sich Kreishandwerksmeister Hans-Günter Lamm, von Beruf Bäckermeister.

Ansonsten aber fürchtet er: »Im Handwerk wird sich 2005 beim Umsatz kaum nach vorn bewegen.« Es habe noch nie so viele Insolvenzen gegeben wie im Jahr 2004. Er bedauert, dass der Erfolg eines Betriebes »vor allem von den Banken« daran gemessen werde, ob »mit weniger Mitarbeitern mindestens derselbe Umsatz erzielt« werden könne. Trotzdem sei insgesamt die Konjunkturentwicklung im Bielefelder Handwerk 2004 »etwas günstiger« verlaufen als noch im Jahr davor. Rund 300 Betriebe haben sich an der aktuellen Konjunkturumfrage der Kreishandwerkerschaft beteiligt. Immerhin 30 Prozent von ihnen gaben an, dass ihr Umsatz gestiegen sei, 28 Prozent nannten unveränderte Umsatzzahlen und 41 Prozent gesunkene Umsätze - das waren 2003 noch 52 Prozent.
Besonders betroffen von sinkenden Umsätzen seien neben dem Bau- und Ausbauhandwerk das Kraftfahrzeughandwerk, die Gesundheitshandwerke und der Dienstleistungsbereich; dort gaben 62 Prozent der befragten Betriebe einen Umsatzrückgang zu Protokoll. Die Gesundheitshandwerke sehen zudem »schwarz« für das Jahr 2005: 70 Prozent der Betriebe fürchten, dass der Umsatz erneut zurück geht. 61 Betriebe mussten 2004 Insolvenz anmelden - 2001 waren es noch 22. Die Zahl der Mitarbeiter ging auf 22 700 (2001: 29 000) zurück, und ein Ende sei nicht abzusehen. Hans-Günter Lamm: »Eine bedrückende und bedrohliche Situation.« Denn, so Lamm, je weniger Betriebe es gebe, desto weniger Ausbildungsplätze: »Dabei ist das Handwerk nach wie vor Ausbilder Nr. 1.«
Jürgen Sautmann, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, führt aus, dass die Preise, die für Handwerksleistungen berechnet werden »unten angekommen sind«: »Sie haben sich auf dem wohl tiefsten Level eingependelt. So können aber keine binnenwirtschaftlichen Impulse ausgelöst werden.«
Sorgen machen dem Handwerk die knappen Kalkulationen der Betriebe, um überhaupt an Aufträge zu kommen, die oft schlechte Zahlungsmoral der Kunden und die Ein-Euro-Job-Regelung. Sautmann: »Häufig verbergen sich hinter Begriffen wie 'Gebäudeservice' handwerkliche Tätigkeiten wie Reinigungs-, Maler- oder Elektroarbeiten.« In »Ich-AGs«, die sich durch handwerkliche Tätigkeiten vor allem in Bereichen wie Fliesenlegen, Gebäudereinigung oder Raumausstattung eine Existenz schaffen wollen, sieht Sautmann keine echte Konkurrenz: »Die Fluktuation ist groß, die meisten verschwinden wieder vom Markt.«
Hans-Günter Lamm betont, dass das Handwerk stets bemüht sei »qualitativ gute Arbeit abzuliefern«, dass es sich zudem »seiner Verantwortung den Mitarbeitern gegenüber« bewusst sei. Gleichzeitig weiß er: »Die Menschen sparen lieber als Geld auszugeben.«

Artikel vom 08.02.2005