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Alkohol wurde zum Selbstzweck

Appartements am Conti-Hotel: Bluttat mit vier Promille im Zecher-Milieu


Bielefeld (uko). Zum zweiten Mal innerhalb von nur zwei Wochen verhandelt das Bielefelder Schwurgericht einen Todesfall auf der untersten Stufe des Alkoholiker-Milieus. Roland B. muss sich seit Freitag wegen eines vorsätzlichen Vollrausches verantworten, weil er unter der Beeinflussung von vier Promille den Tod eines Menschen verursacht hat.
Polizei und Rettungsdienste wurden am Abend des 6. August 2004 in den Appartement-Anbau am Conti-Hotel gerufen: Der 59-jährige Ulrich N. wurde verblutet in seinem Zimmer gefunden. Ursache war ein Messerstich, der dem Mann in die linke große Halsvene versetzt worden war. Die Blutspur führte direkt von dort zu einem Appartement im ersten Stock, wo N. gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Christiane R. () und Roland B. (37) seit dem Nachmittag schwer gezecht hatte. Gegen 19 Uhr war ein Streit zwischen den Männern eskaliert. Roland B. hatte mit einem Taschenmesser zugestochen und seinem Widersacher die tödliche Verletzung zugefügt.
Ihr Mandant habe »keine Erinnerung« an den Vorfall, erklärte am Freitag Verteidigerin Christiane Herzig. Er könne sich »nicht vorstellen, dass durch mich jemand zu Tode gekommen ist«, allerdings könne Roland B. »es aber auch nicht ausschließen«.
Ruhig und recht präzise resümierte der gebürtige Schweriner indes seinen Abstieg in die Alkoholiker-Szene. Indirekten Kontakt mit Alkohol habe er durch seinen Vater gehabt, der ihn und die Mutter stets verprügelt habe. B.: »Zum Schlagen hat er einen Grund gesucht und gefunden.«
Nach einer Lehre als Maurer und ersten kleinen Straftaten war B. in der DDR arbeitslos geblieben, war nach dem Fall der Mauer in die Bundesrepublik gekommen. Der gelobte Westen hielt für den Mann nur Obdachlosenasyle als Heim und die Flucht in die Alkohol als Katalysator seines sinnlosen Lebens bereit. Seit 1996 lebt der Mann in Bielefeld von Sozialhilfe und für den Zweck, von morgens bis abends nur Alkohol zu besorgen oder zu vertilgen.
Beleg für die trostlose Alkoholiker-Szene sind die Beziehungen der Menschen in diesem Drama: Roland B. lebte vor der Bluttat mit der nun verwitweten Ehefrau des Opfers Ulrich N. zusammen. Der Getötete hingegen hatte zuvor Christiane R., die ehemalige Freundin des B., als Lebensgefährtin. Die Frau sollte gestern eigentlich als Zeugin über das Zechgelage aussagen. Am späten Freitagvormittag war sie - infolge Alkohols und durch Alkohol verursachter schwerer Krankheit - zu einer Aussage nicht in der Lage. - Der Prozess soll nun am 16. Februar fortgesetzt werden.

Artikel vom 05.02.2005