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Staat schaut
tief in die
Bankkonten

Sparer im Visier der Finanzämter

Von Rolf Dressler
Bielefeld (WB). Ein historischer Einschnitt steht unmittelbar bevor: Vom 1. April an dürfen Deutschlands Finanzbehörden, Sozial- und Wohnungsämter und Agenturen für Arbeit jederzeit Einblick in Konten und Geldvermögen aller Bürger nehmen und zwar ohne, dass diese davon Kenntnis erhalten.

Jeder Zugriff auf ein Kundenkonto bei einer Sparkasse oder Bank erfolgt über den Zentralcomputer der Frankfurter Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Die Anstalt ist dem Bundesfinanzministerium direkt unterstellt und kann sich schon seit gut drei Jahren, konkret seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001, Nachforschungen betreiben, etwa um Geldwäschern und anderen Schwerkriminellen auf die Spur zu kommen.
In Kürze aber rückt nun auch der durchschnittliche Sparer ins Visier vor allem der Finanzämter. Bis in die allerletzten Winkel können sie diskret und »online« aufspüren, wo er sein Geld eingelagert hat - inklusive Kontoeröffnungsdatum, Kontonummern, Verfügungsberechtigten etc. Nur die Kontostände erfährt das Fi- nanzamt (oder auch das Arbeits-, Sozial- oder Wohnungsamt) zumindest zunächst nicht.
Schöpft ein anonym forschender Finanzbeamter zum Beispiel bei der Bearbeitung einer Steuerklärung einen Verdacht, dass etwa Kapitaleinkünfte oder Spekulationsgewinne verschwiegen worden sein könnten, fordert er einfach sämtliche früheren Jahressteuerbescheinigungen bei dem betreffenden Bürger an. Denn dank der »Dauerschnüffelei« (Dr. Ulrich Ott, Pressesprecher der ING-DiBa-Bank in Frankfurt am Main) weiß Vater Staat künftig auf den Punkt genau, zu welchen Konten dem Geldanleger eine solche Bescheinigung vorliegt: »Verheimlichen kann man nichts mehr.«
Jahressteuerbescheingungen müssen die Geldinstitute erstmals für das Kalenderjahr 2004 ausfertigen. Darin sind lückenlos sämtliche Einnahmen, vor allem Zinsen und Dividenden, sowie Wertpapierverkäufe aufgelistet.
Für Kontenabfragen muss das Finanzamt nicht einmal ansatzweise einen konkreten Verdacht hegen noch erfährt weder der Betroffene noch dessen Bank oder Sparkasse fortan auch nur das Geringste von der somit »gänzlich unbürokratischen und schnellen Bespitzelung« von Staats wegen. Ebenso wie die ING-DiBa warnen daher auch die Spitzenverbände der Banken und Sparkassen davor, auf dem Schleichwege den »gläsernen Bürger« zu schaffen.
Sie sagen zudem vorher, dass insbesondere auch die Bundesagenturen für Arbeit die neuen, geheimen Fahndungsmöglichkeitensehr rege nutzen werden, um »schwarzen Schafen« auf die Spur zu kommen, die das sogenannte Arbeitslosengeld II zu Unrecht beantragen oder schon beziehen. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 05.02.2005