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Und wieder
trägt das Gute den Sieg davon

Shakespeares »Sturm« als Tanzstück

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Nach der Zauberoper »Alcina« widmet sich das Theater Bielefeld nun dem Märchendrama. Indes kommt »Der Sturm« nicht als Schauspiel auf die Bühne des Theaterlabors. Statt dessen hat Ballettchef Philip Lansdale auf der Grundlage des gleichnamigen Shakespeare-Dramas ein modernes und gleichermaßen fantasievolles Tanzstück ersonnen.

Bücher sind das Reich von Prospero. Als er mit seiner kleinen Tochter Miranda eine Bibliothek besucht, vertieft er sich so sehr in das Studium seiner geliebten Bücher, dass er Teil einer Geschichte wird. Es ist die Geschichte seiner eigenen Entmachtung durch Anonio und Alonso, die ihn samt seiner Tochter auf dem Meer aussetzen. Prospero strandet auf einer Insel, deren Bewohner er sich dank seines magischen Wissens zu Dienern macht: Den Luftgeist Ariel und den viehischen Caliban, Ausgeburt der Hexe Sycorax. Als Jahre später die Umstürzler an der Insel vorbei segeln, entfacht Prospero mit Ariels Hilfe einen Sturm. Die Hilflosigkeit seiner dem Wahnsinn verfallenen Gegner stimmt Prospero milde. Er verzichtet auf Rache, segnet die Liebe seiner Tochter Miranda zu Ferdinand, einem Sohn Alonsos, übergibt Caliban sein Zauberreich und kehrt in die Menschenwelt zurück.
Was Lansdale aus der sehr frei behandelten Dramenvorlage herausfiltriert, sind die edlen und niederträchtigen menschlichen Gefühle und Beziehungskonstellationen des insofern zeitlosen Werks. Machtgier, Lust, Liebe, Leidenschaft - egal ob gut oder böse -Êvor dem durch Weisheit gütigen Prospero findet schließlich jeder Verständnis und Vergebung.
Da Machtgelüste nicht nur männliche Eigenschaften sind, werden in der Inszenierung aus Antonio und Alonso die weiblichen Bibliothekarinnen Antonia und Alonsa. Lansdale zeichnet sie als Individuen mit unterschiedlichen Charakteren, spart nicht an theatralischer Überzeichnung wie auch an Komik.
In großen Tableaus wie auch eindringlichen intimeren Konstellationen blättert Lansdale große Gefühle hin. Seine Bühnenästhetik changiert zwischen Gestrigem und Heutigem, zwischen Phantasiewelt und Realität. Entsprechend wirkungsvoll konnte Friederike Hölscher mit ihrem Bühnenbild einen großen Wurf erzielen. Ihre altertümliche Bibliothek scheint das Wissen der gesamten Menschheit zu versammeln. Eine Menschheit, die die unterschiedlichsten Typen hervorbringt.
Gestern und heute spiegeln sich auch in der Musik wieder. Zu Antonio Vivaldis Jahreszeiten und Michael Nymans modernen Solokonzerten choreografierte Bielefelds Ballettchef ein abendfüllendes Ballett, das dem Ensemble klassische Elemente, modernen Ausdruckstanz und großes schauspielerisches Minenspiel abverlangt. Ausdrucksstark: Eric Thomé als Prospero, Simona Tartaglione als Miranda, Angelo Murdocco als Ferdinand, Caroline Matthiessen als Alonsa, Catherine Petit als Antonio und allen voran Isabella Jacobi als junge Miranda.

Artikel vom 05.02.2005