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In NRW sollen Rentner
Kirchgeld zahlen

Finanznot lindern - »Wir sind für jeden Cent dankbar«

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Als erste der 24 evangelischen Landeskirchen in Deutschland prüft die westfälische Landeskirche die generelle Einführung eines freiwilligen Kirchgeldes. In erster Linie sollen Rentner, die über ein eigenes Einkommen verfügen, aber keine gesetzliche Kirchensteuer zahlen, zur Kasse gebeten werden, um die Finanznot zu lindern.

Die Erhebung des Kirchgeldes mache aber nur Sinn, wenn dies in ganz Nordrhein-Westfalen geschehe, sagte der Sprecher der westfälischen Landeskirche, Andreas Duderstedt, dieser Zeitung. Deshalb würden die Evangelische Kirche im Rheinland und die Lippische Landeskirche in die Beratungen mit einbezogen. Die Höhe des Kirchgeldes stehe noch nicht fest, sagte Duderstedt. Es werde sich nach dem Einkommen richten.
»Wir gehen davon aus, dass in absehbarer Zeit die Kirchensteuer-Einnahmen jedes Jahr um zehn Prozent zurückgehen.« Ferner nehme die Zahl der Kirchenmitglieder, die keine Steuern zahlten aufgrund von Arbeitslosigkeit und einer immer älter werdenden Bevölkerung zu. Schon heute zahle nur ein Drittel der 2,7 Millionen Kirchenmitglieder in Westfalen Kirchensteuer. »Wir hoffen, dass wir einen Teil Steuerausfälle durch das Kirchgeld auffangen können. Wir wollen die Last auf mehrere Schultern verteilen, da sich die Kirche als Solidargemeinschaft versteht«, betonte Duderstedt. In der jetzigen finanziellen Situation sei die Kirche für jeden Cent dankbar. In diesem Jahr werde mit Einnahmen in Höhe 385 Millionen Euro gerechnet, gegenüber 2004 ein Rückgang von 15 Millionen Euro.
Ob das Kirchgeld direkt von der Landeskirche oder über die Kirchengemeinden eingezogen werde, stehe noch nicht fest. Es werde auf keinen Fall zu Zwangsvollstreckungen kommen, da es sich um eine freiwillige Zahlung handele.
Die einzelnen Kirchengemeinden hätten bereits die Möglichkeit, ein allgemeines Kirchgeld, das auch als Ortskirchensteuer bezeichnet wird, von allen Kirchenmitgliedern zu verlangen. In der lutherischen Kirchengemeinde Bad Salzuflen beträgt es zum Beispiel ein Prozent des Einkommens. Das Geld ist für konkrete Projekte bestimmt. In Kirchengemeinden in Württemberg liegt es jährlich zwischen zwölf und 30 Euro. Die Zahl der Gemeinden, in denen Kirchgeld erhoben werde, nehme ständig zu. Vorreiter in OWL war hier Lübbecke, wo 2004 bei 8600 Gemeindegliedern 9000 Euro eingenommen wurden. Auch in den Kirchenkreisen Herford, Minden, Vlotho und Bielefeld wird über die zusätzliche Einnahmequelle diskutiert.
Die Jugendkammer der westfälischen Kirche hat unterdessen die Einführung eines allgemeinen Kirchgeldes für alle Gemeindemitglieder vorgeschlagen. Die bisherige Steuerfinanzierung reiche nicht mehr aus, um zum Beispiel die Jugendarbeit zu sichern. In einigen Kirchenkreisen gebe es bereits Tendenzen, die Jugendarbeit massiv einzuschränken.
Die Evangelische Landeskirche von Westfalen (2 699 742 Mitglieder ist nach Hannover (3 142 685 Mitglieder), Rheinland (3 029 591) und Bayern (2 740 840) die viertgrößte Landeskirche in Deutschland. Die Lippische Landeskirche hat 200 000 Mitglieder.

Artikel vom 05.02.2005