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Taxi-Oma gibt Schlüssel ab

84-Jährige startet nach 44 Jahren zur letzten Schicht

Lübeck (dpa). Über die Behauptung, ältere Autofahrer seien ein Risiko im Straßenverkehr, kann Frieda Biesenthal nur lachen. 44 Jahre lang hat die heute 84-Jährige mit ihrer Taxe Fahrgäste durch Lübeck kutschiert, stets unfallfrei und zur vollen Zufriedenheit der Passagiere, wie sie betont.

Doch jetzt will Frieda den Zündschlüssel endgültig an den Nagel hängen. Am Sonntag startet eine der ältesten Taxifahrerinnen Europas zu ihrer letzten Schicht. Irgendwann müsse ja mal Schluss sein, sagt sie.
Eigentlich wollte sie fahren, bis sie 100 Jahre alt ist, hatte Frieda anlässlich verschiedener runder Geburtstage immer wieder betont. »Aber jetzt habe ich die Nase voll von den Sticheleien und Pöbeleien meiner Kollegen«, sagt die weißhaarige Frau. Immer wieder hätten die jüngeren Berufskollegen sie verspottet, gar bei den Fahrgästen denunziert. »Einmal wurde von der Zentrale ein Wagen zum Vorwerker Friedhof bestellt. Als ich mich gemeldet habe, hat ein anderer Fahrer über Funk gesagt: »Dann bleib mal gleich da.« Das ist doch eine Frechheit«, empört sie sich.
Dabei ist Frieda das wenig galante Benehmen der männlichen Kollegen gewöhnt. »Als ich 1960 anfing, war eine Frau als Taxifahrerin etwas Unerhörtes. Entsprechend waren die Reaktionen«, erinnert sie sich. Aber im Großen und Ganzen will sie nicht klagen. »Wenn ich eine Panne habe oder sonst Hilfe brauche, sind sie doch da«, weiß sie.
Lang ist die Liste der prominenten Fahrgäste, die in Friedas Wagen mit der Nummer 77 gesessen haben. »Erik Ode habe ich gefahren, Gerda Steiner von »Steiners Theaterstadel«, Paul Kuhn und Nino de Angelo«, zählt sie auf. Besonders gern erinnere sie sich an den Sänger Ivan Rebroff. »Er hat mir einen seiner vielen Blumensträuße geschenkt, die er nach einem Konzert bekommen hatte«, schwärmt sie.
Kurzen Prozess machte sie dagegen mit Fahrgästen, die unlautere Absichten hatten. Einem Fahrgast, der ihr die Tageseinnahmen rauben wollte, riet sie, doch lieber arbeiten zu gehen.
Zwei junge Männer, die ihr »an die Wäsche« wollten, fragte sie, ob »zwei so hübsche Bengels keine Jüngere finden könnten«. »Denen ist fast der Unterkiefer 'runtergefallen«, erinnert sich die 84-Jährige und freut sich noch heute diebisch über die verdutzten Gesichter der Männer.
Die nötige Fitness für ihren Beruf holt sie sich beim Sport. »Drei Mal in der Woche trainiere ich im Fitness-Studio, ich musste ja auch Koffer schleppen können.«

Artikel vom 05.02.2005