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Es brettert auf Berlins Bühnen:
Theater der Theatermacher

Pralinen-Schachtel und Bildungsbordell: Wie sich Intendanten beschimpfen

Von Klaus Lükewille
Berlin (WB). Das eine Stück geht so: Alle gegen einen. Gegen Thomas Flierl, den Berliner Sensator für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Denn der PDS-Mann will ran an die Subventionen. Da sind sich die Intendanten einig. Unmöglich. Unverschämtheit. Ein Unding.
Claus Peymann: Programmzettel nur »Toilettenpapier.« Foto: teu

Das andere Stück geht so: Jeder gegen Jeden. Auf drei führenden Berliner Sprech-Bühnen wird es schon seit Wochen und Monaten gegeben. Immer wieder. Immer lauter. Immer bissiger. Immer billiger. Mit ständigen Text-Veränderungen. Drehbuch-Autoren sind die Intendanten Claus Peymann (Berliner Ensemble), Frank Castorf (Volksbühne) und Bernd Wilms (Deutsches Theater).
Eigentlich könnte es ein Klassiker sein. Er handelt von Intrigen und Verrat, von Neid und Streit. Aber es ist nur das schrille Theater der Theater-Macher. Auf erschreckend niedrigem Niveau. Vorhang auf. Dahinter ist zu sehen: Intendanten, die sich nicht und nichts verstehen. Denn der Etat-Kürzer Flierl verfolgt die Dauer-Fehde an den Spitzen-Häusern der ehemaligen DDR voller Genuss. Sollen sie sich doch fetzen. Wie wunderbar.
Dadurch entsteht in der Öffentlichkeit immer mehr ein Bild, das der Sensator selbst nicht schöner malen könnte: Seht her, sollen wir etwa an diese kleinkarierten und zänkischen Herren noch mehr Steuer-Gelder verschleudern?
Vor allem Peymann (67) lässt keine Möglichkeit aus, um die Konkurrenz zu attackieren. Der »Lautsprecher« des Berliner Ensembles hätte das eigentlich gar nicht nötig. Die Auslastung des Brecht-Hauses lag 2004 bei mehr als 90 Prozent. Aber Peymann kann einfach nicht leise sein und spottete über die Programmzettel der Volksbühne: »Das ist ja nur ein Stück Toilettenpapier.«
Frank Castorf (54), der Kollege vom Rosa-Luxemburg-Platz, noch bis 2007 im Amt, er schießt nicht so gern selbst zurück. Aber dafür hat er ja seinen stets streitlustigen Provokateur und Haus-Regisseur. Christoph Schlingensief (44) beschimpfte Peymanns Laden: »Das einst so erstklassige Berliner Ensemble ist unter seiner Leitung zu einem Bildungs-Bordell für Berlin-Touristen verkommen.«
Da gingen bei Peymann sofort alle »Rotlichter« an. Alarm im Theater-Bezirk. 15 lange Jahre leitete er schließlich die legendäre Wiener Burg, da muss er sich von einem »Schlingel« wie Schlingensief doch nichts sagen lassen. Von dem schon gar nicht. Pfui, unterste Schublade.
So tief und schief ist das Bühnenbild der Hauptstadt im Frühjahr 2005. Es »brettert« auf vielen Brettern. Denn auch aus dem Deutschen Theater kommen keine kollegialen Töne. Bernd Wilms (64), Vertrag bis 2006, galt nur noch als Intendant auf Abruf.
Und der Westdeutsche ist auf Castorf und Peymann gar nicht gut zu sprechen. Er vermutet ein Komplott, unterstellte Senator Flierl: Die Berliner Bühnen sollen noch mehr »verostet« werden. Als Nachfolger war Christoph Hein (60), Schriftsteller-Ikone der DDR, fest nominiert. Dann verzichtete Hein vor Wochen. Er fühlte sich vorverurteilt. Jetzt soll Wilms doch bleiben. Sogar bis 2008.
Peymann, bis 2007 an das Emsemble gebunden, wurde schon ins Gespräch gebracht. Er könne das nur wenige hundert Meter von seiner Spieltstätte entfernte Deutsche Theater doch gleich mit übernehmen. Die Antwort: »Was soll ich in dieser Pralinenschachtel?«
Ja, so ist das zurzeit im Berliner Osten. Da gibt's Süßes und Saures. Von allen Seiten. Im Westen der Metropole werden diese Aufführungen natürlich registriert. Es wird klassisch und gleichzeitig modern reagiert. Zudem weiter experimentiert. Denn der im Vergleich zu den streitenden Konkurrenten noch sehr junge Thomas Ostermeier (35), der 2000 als Risiko-Verpflichtung galt, er hat das Haus immer fester Griff. Der Vertrag läuft bis 2009. Seine Berliner Schaubühne servierte unter Ostermeiers Regie bereits zum 175. Male Henrik Ibsens »Nora«.
Rekord! Das Berliner Ensemble ist überboten. Hier lief am 11. Januar 2005 ein Stück von Thomas Bernhard zum 151. und unwiderruflich allerletzten Mal. »Der Theatermacher« wurde danach endgültig abgesetzt. Aber: Das Theater der Theatermacher geht weiter.

Artikel vom 05.02.2005