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Die Berlinale
als fröhliches
Filmfestival

Kosslick bedient Herz und Hirn

Von Holger Mehlig
Berlin (AP). »Wir machen auch einen Talent-Campus für Schiedsrichter, um ihnen den Unterschied zwischen einer normalen Gehaltsüberweisung und dem Geldeinstecken vor einem Spiel klar zu machen«, sagt Dieter Kosslick in Anspielung auf den Fußball-Skandal und lacht. Der Berlinale-Direktor ist ein Spaßvogel. Einer, der das Spiel mit den Medien beherrscht.

»Natürlich können wir nicht alle gesellschaftlichen Probleme lösen«, fügt Kosslick hinzu. Aber offenbar doch fast alle. Denn die 55. Internationalen Filmfestspiele in Berlin, die vom 10. bis zum 20. Februar stattfinden werden, sollen ein Programm für »Herz und Hirn« bieten, gesellschaftliche Konflikte präsentieren und zu Diskussionen anregen, wie der 1948 in Pforzheim geborene Kommunikationswissenschaftler ankündigt. Sie sollen politisch sein und zugleich unterhaltsam, dabei natürlich immer anspruchsvoll. Dem Berlinale-Direktor blitzt der Schalk aus den Augen, wenn er dann noch sagt: »Wir zeigen Fußball, Sex und Politik, also Themen der Gerechtigkeit.«
Seit Kosslick 2001 das Kommando von Moritz de Hadeln übernahm, versprüht die Berlinale eine fröhliche Gelassenheit. Das ist seiner lockeren, humorvollen Art zuzuschreiben. Wenn er bei der Eröffnung oder den Preisverleihungen spricht, gibt es immer etwas zu lachen. Dabei ist es ihm auch egal, wenn sein Englisch manches Mal ziemlich Deutsch klingt. Auf diese Weise verkauft der Hitchcock-Fan und passionierte Hobbykoch erfolgreich seinen Gegenstand: die Berlinale. Den deutschen Film wolle er zu den Filmfestspielen zurückholen, hatte er zum Amtsantritt als oberstes Ziel verkündet.
Das gelang. So sorgten nicht nur deutsche Wettbewerbsbeiträge wie »Good Bye, Lenin!« oder der Berlinale-Sieger »Gegen die Wand« für Aufsehen, auch die neue Reihe »Perspektive Deutsches Kino« ist eine große Errungenschaft, in der einheimische Produktionen präsentiert werden. Ein weiteres Ziel ist die Nachwuchsförderung. Seit 2003 findet der Talent Campus statt, zu dem mehrere hundert junge Filmschaffende aus aller Welt anreisen und sich von Größen wie Wim Wenders oder Dennis Hopper Tipps geben lassen.
Die Berlinale ist auch bei den Stars beliebt. Schauspieler wie Nicole Kidman, George Clooney oder Catherine Deneuve liefen über den roten Teppich. »Es gibt kein anderes Güteklasse-A-Festival, bei dem das Publikum so große Möglichkeiten hat, sich Karten zu kaufen, ins Kino zu gehen und dann praktisch neben dem Star zu stehen«, zieht Kosslick den Vergleich zu den beiden anderen großen Filmfestivals in Cannes und Venedig. Ein Jahr läuft Kosslicks Vertrag noch, der bis zur Berufung zum Berlinale-Chef Geschäftsführer der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen war. Die Neustrukturierung des Festivals laufe wie geplant und werde 2006 vorläufig vollendet sein. »Wir wollen nicht das größte Festival der Welt werden, weil wir es schon sind. Wir wollen das angenehmste und fröhlichste Filmfestival der Welt werden«, sagt er und lacht wieder.

Artikel vom 04.02.2005