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Erste Hilfe für den Drahtesel

Die Radwerkstatt des AStA in der Laborschule besteht seit sechs Jahren

Bielefeld (sas). An den Wänden hängen Felgen und Fahrradschläuche (geprüft und - zum halben Preis - ungeprüft), an der Wand lehnen jede Menge Radgabeln, in Kartons liegen Lenker, Schutzbleche, Pedale und Zahnräder. Und ein Schwung Fahrräder harrt der Interessenten. Dazwischen steht mit ölverschmierten Händen Jan Müller - Student und angelernter Zweiradmechaniker.

Der angehende Pädagoge ist einer von fünf Mann, die »Ra(d)tschlag«, die Radwerkstatt des Allgemeinen Studierendenausschusses, am Laufen halten. Jeweils mittwochs ist es an ihm, Studenten, deren Drahtesel reparaturbedürftig sind, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Dafür bekommt er einen Stundenlohn - nicht zu üppig, für ihn jedoch ein schönes Zubrot. Vor allem aber ist er mit Spaß und Idealismus dabei.
»Die Radwerkstatt gibt es seit sechs Jahren«, erzählt Niels Taubert. Der frisch promovierte Soziologe war fünfeinhalb Jahre dabei, er hat unlängst seinen letzten Arbeitstag bei »Ra(d)tschlag« absolviert. »Wichtig ist, dass man Verständnis für Räder mitbringt«, sagt er. Niels Taubert selbst hat schon als Zwölfjähriger angefangen, an Zweirädern herumzubasteln. »Ein alter Eisenbahner, den ich kannte, hatte einen Keller voller Ersatzteile und kannte sich aus«, erzählt er. Und sein Kollege Jan Müller, ohnehin mit Lust und Leidenschaft Bastler, hat sich beim Jobben in einer Fahrradwerkstatt die nötigen Grundkenntnisse angeeignet.
Die Ersatzteile, die die Werkstatt auf Lager hat, sind größtenteils Spenden oder eben die noch verwertbaren Reste von ausgeschlachteten Rädern, die der AStA geschenkt bekommen hat. »Wenn es geht, werden Spendenräder auch wieder auf Vordermann gebracht und für kleines Geld an Studierende verkauft«, erzählt Niels Taubert. Neben den 9000 Euro, die der AStA alljährlich aus den Semesterbeiträgen der Studenten zuschießt, trägt auch dies zur Finanzierung der Werkstatt bei; die Räume der Laborschule darf sie unentgeltlich nutzen.
Studenten, die hier Dienste in Anspruch nehmen, müssen nichts bezahlen, andere Ratsuchende werden um eine Spende gebeten. »Wir wollen aber keine Konkurrenz zu den Profiwerkstätten sein«, betont Jan Müller. Deshalb auch legen er und seine Kollegen Wert darauf, den Hilfesuchenden zu zeigen, wie es geht. Wer also mit einem kaputten Radl kommt, muss damit rechnen, dass er (oder sie) selbst Hand anlegen muss - damit man es beim nächsten Mal vielleicht alleine kann. Hilfe zur Selbsthilfe ist das Motto. »Das beginnt beim Reifenflicken und geht bis zu den höheren Weihen wie dem Einstellen der Schaltung und dem Wechsel eines Tretlagers.« Wer ohnehin firm ist und keine Hilfe benötigt, kann zumindest die Werkstatt-Ausstattung benutzen.
»Derzeit ist es ruhig, im Sommer haben wir aber schon mal 15 Kunden auf einmal«, erzählt Jan Müller. Zu diesen Hochzeiten sind die studentischen Mechaniker dann auch zu zweit in der Werkstatt. Wie viele Räder er im Laufe der Jahre repariert hat, kann Soziologe Niels Taubert kaum noch sagen. »Es ist aber lustig, wie viele Räder ich erkenne, wenn ich durch die Stadt gehe.« Denn die alten Drahtesel hätten doch etwas Charakteristisches, sagt er schmunzelnd. »Da ist immer etwas dran, was nicht unbedingt zum Rest des Rades passt.«

Artikel vom 25.02.2005