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Hoffen auf den
besten Riecher

Geschworene im Jackson-Prozess

Washington (dpa). Wenn Howard Varinsky wieder den richtigen Riecher hat, sollte sich Michael Jackson vorsichtshalber schon bald auf ein neues Domizil hinter Mauern und Stacheldraht einstellen. Varinsky ist Experte für die Auswahl von Geschworenen.

Geschworene urteilen über Michael Jackson.

Die Anklage im Kindesmissbrauchs-Prozess gegen den Popstar hat ihn als Berater angeheuert. Er soll der Staatsanwaltschaft helfen, aus den Hunderten von Jury-Kandidaten jene herauszupicken, die eher zu einer Verurteilung des Angeklagten neigen.
Erst vor kurzem ging seine Rechnung auf - in einem Prozess gegen einen Kalifornier, der wegen Mordes an seiner Frau und seinem ungeborenen Kind angeklagt war und zum Tod verurteilt wurde. Die Jackson-Verteidigung ist ebenfalls nicht untätig geblieben: Ihr steht J. Lee Meihls zur Seite. Auch sie ist eine Expertin in Sachen Geschworene und half dabei, einen Gouverneur wegen Korruption ins Gefängnis zu bringen.
Die Auswahl der Juroren - im Fall von Jackson sind es inklusive Ersatzgeschworenen 20 - ist eine Wissenschaft für sich, wie man spätestens seit dem Doppelmord-Sensationsprozess gegen Exfootballstar O.J. Simpson vor zehn Jahren weiß. Wie im Jackson-Verfahren war auch damals von einer vierwöchigen Prozedur ausgegangen worden. Es vergingen vier Monate.
Die Auswahl der »richtigen« Geschworenen ist oft schon die halbe Miete, sagen Experten. Im Fall Jackson haben beide Seiten bereits vor Monaten »Juroren-Profile« erarbeitet. Dabei handelt es sich um eine Aufstellung von Eigenschaften und Auffassungen, die ein Geschworener im Zuge der Befragungen bei der offiziellen Auswahl zeigen sollte, um dem jeweiligen Ziel von Anklage und Verteidigung zu dienen. Beide Seiten haben die Möglichkeit, eine bestimmte Zahl von Kandidaten abzuwählen. Ist das »Nein«-Kontingent ausgeschöpft, müssen Ankläger beziehungsweise Verteidiger akzeptieren, was die jeweils andere Seite befürwortet.
Wie der auf Prozesse von Kindesmissbrauch spezialisierte Universitäts-Rechtsprofessor Tom Lyon erläutert, bevorzugen die Ankläger in derartigen Verfahren Frauen als Geschworene. Die Verteidiger dagegen Männer. Insbesondere dann, wenn es sich um in Scheidungsstreitigkeiten verstrickte Ehemänner handelt: Diese hätten vermutlich ein offenes Ohr für die Position der Jackson-Verteidigung, der zufolge ihr Mandant falschen Beschuldigungen ausgesetzt ist.
Angesichts des immensen Medienwirbels ist es in diesem Prozess die größte Herausforderung, unvoreingenommene Geschworene zu finden.
Die meisten Rechtsexperten halten es für illusorisch, dass es Jury-Kandidaten gibt, die bisher nichts von den Anschuldigungen gegen den Popstar gehört und sich vorab noch keine Meinung gebildet haben.

Artikel vom 03.02.2005