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Leitartikel
Prozess gegen Jackson

Ein Wesen
zwischen
allen Welten


Von Wolfgang Schäffer
Unparteiisch und unvoreingenommen sollen sie sein, die zwölf Männer und Frauen, die in den nächsten Monaten über Michael Jackson urteilen werden.
Unparteiisch? Unvoreingenommen? Und das bei einer Person wie Michael Jackson? Unvorstellbar! Unmöglich! Das steht allemal fest. Da müsste schon jemand die vergangenen 40 Jahre in völliger Abgeschiedenheit in einem Urwald oder einer unterirdischen Höhle gelebt haben, um nichts vom selbsternannten König des Pop gehört zu haben. Doch selbst dort . . .
Die Hits des inzwischen 46-Jährigen haben es bis in den entlegensten Winkel der Erde geschafft. Wo auch immer man auf der Weltkugel unterwegs ist: »Thriller« & Co. haben ihre musikalischen Spuren hinterlassen. Verfolgt man diese Spuren des jetzt auf der Anklagebank sitzenden Musik- und Tanzgenies zurück, wird deutlich, wie erschreckend sein Leben trotz aller Erfolge und Beifallsstürme verlaufen ist.
Mit den Jackson Five feierte Michael als Kind die ersten sensationellen Auftritte auf der Bühne. Aus dem jüngsten und kleinsten Bandmitglied, vom Vater oft wegen Nichtigkeiten verprügelt, wurde ganz schnell die Stimme der Band, dann der Solo-Künstler und schließlich der Super-Star. Mit dieser Entwicklung einher ging aber fast parallel eine Wesens- und Daseinsveränderung. Der einstmals schwarze Junge Michael Jackson mutierte zu einem Wesen zwischen allen Welten. Nicht mehr schwarz und nicht weiß. Nicht Kind, nicht Erwachsener. Nicht wirklich Mann und auch nicht Frau.
Die einzige echte Konstante im Leben des amerikanischen Pop-Stars mit einem Millionen-Publikum, das ihm weltweit zu Füßen liegt, war und ist die Musik. Seine Platten und CD verkauften sich teilweise fast schneller, als sie gepresst werden konnten. Jackson brach viele Rekorde. Und zerbrach letztendlich an all dem - denn seine verlorene Kindheit, die konnte ihm weder seine Neverland Ranch mit allen Kirmeswunschträumen noch der Umgang mit vielen Kindern ersetzen.
Wegen dieser von ihm allerdings nie verheimlichten Nähe zu Kindern steht Michael Jackson letztendlich jetzt vor Gericht. Zwar ist bislang nicht erwiesen, dass es tatsächlich sexuelle Übergriffe gab. Doch Jackson hat ohne Umschweife und erkennbar ohne schlechtes Gewissen zugegeben, Nächte mit ihm fremden Jungen im Bett verbracht zu haben. Das macht ihn zumindest sehr verdächtig.
Gleichwohl zeigt es aber auch, wie weit weg der 46-Jährige von dem entfernt ist, was gemeinhin als »normal« angesehen wird. An Selbstverstümmelung heranreichende Nasenkorrekturen oder Hautaufhellungen und ein fast krankhafter Zwang, mit Kindern zu sein, unterstreichen das. Über das alles und die musikalischen Höhen und inzwischen mehr und mehr Tiefen wurde immer und überall berichtet.
Unvoreingenommene Geschworene? Diese Suche dürfte ergebnislos verlaufen. Ob die Suche nach der Wahrheit ein Ergebnis bringt, bleibt ebenfalls abzuwarten.

Artikel vom 04.02.2005