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»Ich kann alles vertragen -
nur keinen Dilettantismus«

Toni Berger glänzte einst auf der Bielefelder Bühne

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). 15 Jahre lang war Toni Berger ein Garant für gute Unterhaltung auf der Bühne des Bielefelder Theaters. Der urbayerische Mime, der am Samstag in München starb, dachte gerne an seine Auftritte in Ostwestfalen zurück.

1979, als das Bielefelder Haus sein 75-jähriges Bestehen feierte, erzählte der humorvolle Schauspieler eine hübsche Geschichte für die Festschrift. Im »Florian Geyer« gab Toni Berger den Ulrich von Hutten, und zwar in voller Ritterrüstung. »Nach meinem ersten Satz ÝNeue Zeitung (= Nachricht), ihr Herren!Ü klappte das Visier zu.« Das vermaledeite Ding ließ sich nicht wieder öffnen, »so dass ich meine ganze Erzählung vor dem Würzburger Bischof mit verschlossenem Visier vortragen musste. Durch die Sehschlitze sah ich nur noch lachende Kollegen um mich herum.« Die Töne, die da aus der Rüstung quollen, verstand keiner - ein Kollege öffnete schließlich den Helm mit Hammer und Beißzange.
Gleichzeitig mit dieser Anekdote übermittelte Toni Berger die besten Wünsche seiner Frau Gertraude Lewisch, die zu jener Zeit ebenfalls in Bielefeld engagiert war. Der Vollblutschauspieler glänzte am Teuto nicht nur im klassischen Repertoire, sondern führte das aufgeschlossene Publikum auch an die jungen Autoren heran. Unvergessen bleibt Toni Berger den Zuschauern als argloser NS-Parteigänger Ludwig Fuchs im »Schulfreund« (Saison 1958/59), der Johannes Mario Simmels Ruhm begründete.
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber würdigte den 1921 geborenen Münchener als Volksschauspieler, der sich »in die Herzen der Menschen gespielt hat«. Frank Baumbauer, Intendant der Kammerspiele, beklagte Toni Bergers Tod als »riesigen Verlust für die Münchener Theater«. In der Landeshauptstadt hatte der 83-Jährige noch am 19. Januar auf der Bühne gestanden.
»Ich kann alles vertragen, nur keinen Dilettantismus«, hat Toni Berger einmal über seine Kunst gesagt. 1966, nach Stationen in Sigmaringen und Bielefeld, führte ihn sein Weg zurück in seine Heimatstadt ans Residenztheater. Die Rolle seines Lebens wurde der Boandlkramer im Volksstück »Der Brandner Kaspar und das ewig Leben«. Die Paradebesetzung: Gustl Bayrhammer als »Herr«, dem eine servile, aber teuflische Gestalt Paroli bietet -ÊToni Berger als Tod weiß, dass er über alle und jeden siegen wird.
Den Toni Berger, der wie nur wenige seines Fachs den Charakteren Leben einzuhauchen verstand, mochte kaum ein namhafter Regisseur missen. Stets hat der große Mime »so ehrlich, wie's nur geht« (sein Motto) gespielt - sei es in Ingmar Bergmans »Schlangenei«, sei es im »Bullen von Tölz«. Seine Auftritte adelten die TV-Dutzendware genauso wie den anspruchsvollen Kinofilm.
Toni Berger hat »preußisch« hochdeutsch parliert, ohne sich zu überheben, er hat bajuwarisch gegrantelt, ohne zu tümeln. Der »ernstzunehmende Schelm«, wie ihn ein Kollege nannte, hat präzise seine Charaktere ausgelotet und den Bayern freundlich auf's Maul g'schaut. All dies mit großer Leichtigkeit: Wie seine Figuren war Toni Berger nicht an den Boden genagelt.

Artikel vom 03.02.2005