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»Vorbeugung ist Schlüssel zur Korruptions-Bekämpfung«

Dr. Hansjörg Elshorst, Vorsitzender von Transparency Deutschland, zum Schiedsrichterskandal im Fußball

Bielefeld (WB). »Es braucht nicht viele solcher Skandale, bis der Ruf schwer angeschlagen ist.« Das sagt Dr. Hansjörg Elshorst, Vorsitzender der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International Deutschland. In einem Interview mit WESTFALEN-BLATT-Redakteur Hans Peter Tipp äußert er sich zum Wettskandal im deutschen Profifußball. Dr. Hansjörg Elshorst, Vorsitzender von Transparency International Deutschland.

Sind Sie Fußball-Fan?Hansjörg Elshorst: Etwas verstehe ich vom Fußball schon, heutzutage sehe ich mir besonders
wichtige Spiele an.

Sind Sie überrascht, dass Bestechung, Korruption und Betrug den deutschen Volkssport Fußball erreicht haben? Elshorst: Eigentlich nicht. Es ist typisch für unseren Kampf gegen Korruption: Wo man ihn führt, ist er durchaus erfolgreich, doch taucht Korruption in immer neuen Gebieten auf.

Auch außerhalb der Politik und der Behörden?Elshorst: Es gibt Umfragen, dass Korruption zwischen Firmen häufiger vorkommt als zwischen Firmen und dem öffentlichen Bereich. Nur interessiert sich keiner dafür, während Probleme in der Politik gleich Schlagzeilen machen. Wie jetzt im Fußball, der ja in einem anderen Sinne öffentlich ist.

Wodurch unterscheiden sich eigentlich Bestechung, Korruption und Betrug?Elshorst: Bestechung und Betrug sind im Strafgesetzbuch definiert, für den öffentlichen und privaten Bereich. Bei Bestechung sind immer mindestens zwei Täter beteiligt, einer der gibt und einer der nimmt. Betrügen kann man auch allein.

Und was ist mit Korruption?Elshorst: Der Begriff kommt nicht im Strafrecht vor, er deckt zu viele Fallgestaltungen ab und ist deshalb für die Juristen zu unpräzis. Wir bei Transparency definieren Korruption als Missbrauch anvertrauter Macht. Diese Definition lässt sich auf viele Lebensbereiche anwenden, natürlich auch auf den Sport. Schließlich gibt es gegen die Macht eines Schiedsrichters, gegen seine Entscheidungskompetenz, weniger »Rechtshilfen« als in den meisten anderen Lebensbereichen.

Ist die von einigen Spielern zugegebene Annahme einer Geldsumme - für einen Sieg, nicht für eine Niederlage; aber von dritter Seite und vor dem Spiel - bereits als Bestechung zu bewerten? Elshorst: Unter dem Gesichtspunkt von Bestechung und Bestechlichkeit ist das strafrechtlich nicht relevant. Allein über die Verbandsgerichtsbarkeit wären hier Sanktionen möglich. Wenn wir unsere Definition anwenden, also von Korruption statt von Bestechung reden, ist zunächst nicht klar, warum ein Sieg eine Schädigung sein soll, die durch Missbrauchs der dem Spieler übertragenen Rolle entsteht. Doch wie häufig im Umfeld von Korruption: Was zunächst ganz harmlos schien, sieht später schlimm aus oder führt zu Schlimmen. Wenn Spieler solche Prämien beim Verein nicht angeben, machen sie sich erpressbar.

Was läuft falsch im deutschen Fußball und ermöglicht solch skandalöse Zustände? Elshorst: Ich kann die Zustände im deutschen Fußball nicht beurteilen.

Sehen Sie Parallelen zwischen der häufig von Ihrer Organisation angeprangerten Korruption im öffentlichen Bereich und den aktuellen Vorgängen im Fußball? Elshorst: Wir beobachten seit langem, dass bei Korruption nur der Täter aus dem öffentlichen Bereich in den Medien genannt wird; wenn er prominent ist, entsteht daraus ein Skandal. Das erweckt den falschen Eindruck als gebe es im öffentlichen Bereich mehr Korruption als im privaten. Beim Fußball-Skandal sehen wir, dass auch die dort Tätigen prominent genug sind, um einen Skandal zu verursachen. Der Sport kann aus dem öffentlichen Bereich lernen, dass es nicht viele solcher Skandale braucht, bis der Ruf schwer angeschlagen ist. Durch Skandale wird Vertrauen zerstört. Das macht uns im politischen Raum Sorge, das wird jetzt sicher auch jeden Fußballfan beschäftigen. Man stelle sich Spiele vor, bei denen man dem Schiedsrichter nicht mehr vertrauen kann!

Was kann man tun?Elshorst: Ich kann das nur generell beantworten. Der Schlüssel für die Bekämpfung von Korruption ist die Vorbeugung. Man muss den ganzen Ablauf analysieren, die möglichen Angriffspunkte für Korruption feststellen und auf solche Schwachstellen Maßnahmen zuschneiden. So könnte z.B. der Kontakt zur Wettszene eine solche Schwachstelle sein. In Firmen und im öffentlichen Bereich gibt es viel Erfahrung mit dem Aufbau von Systemen zur Vorbeugung. Vielleicht könnte der Sport von solchen Erfahrungen profitieren.

Hat der Begriff fair play im Spitzensport überhaupt noch eine Rechtfertigung?Elshorst: Die Frage unterstellt, dass es im Sport heute weniger fair play gibt. Ich erinnere mich an wüste Holzereien auch bei Länderspielen, als noch keine Spitzengehälter gezahlt wurden. Im Schnitt sind die Spiele heute viel fairer. In vielen Lebensbereichen ist das genauso bei Korruption. Man hat sie durch Regeln und deren konsequente Anwendung weit besser im Griff als in früheren Zeiten, insbesondere grobe »Fouls« sind seltener geworden. Sport ist deshalb wichtig, weil dabei viel Geld verdient wird. Wir sollten mit aller Macht darauf bestehen, dass wir auch außerhalb des Spielfelds fair play erwarten.

Artikel vom 03.02.2005