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Arbeitslosen-Rekord lässt Ruf nach Reformen lauter werden

Auch in NRW höchster Stand in der Nachkriegszeit - Kritik an Regierung

Düsseldorf/Berlin (ddp/dpa). Auch in Nordrhein-Westfalen kletterte die Zahl der Arbeitslosen auf den höchsten Stand in der Nachkriegszeit. Im Januar waren 985 600 Menschen ohne Job und damit 75 000 mehr als im Vormonat. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich auf 11,2 Prozent gegenüber 10,4 Prozent. Für Februar erwartet die Regionaldirektion NRW den Sprung über die Eine-Million-Grenze.

In den vier Arbeitsagenturen in Ostwestfalen-Lippe übersprang die Arbeitslosigkeit die 100 000-Marke. Insgesamt waren in OWL 114 802 Männer und Frauen arbeitslos.
Die Chefin der Regionaldirektion NRW, Christiane Schönefeld, führte den deutlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen zur Hälfte auf den üblichen Winterzuwachs und die anhaltend schwache Konjunktur zurück. Die andere Hälfte gehe auf die durch die Arbeitsmarktreform Hartz IV veränderte Erfassung von Arbeitslosen zurück.
Im Februar werde die Zahl der Arbeitslosen bei über einer Million liegen. Von den 985 600 Arbeitslosen im Januar bezogen 376 670 oder 38,2 Prozent Arbeitslosengeld. 457 090 oder 46,4 Prozent erhielten das neue Arbeitslosengeld II. 151 840 oder 15,4 Prozent erhielten keine Leistung, wollten aber dennoch in Beschäftigung vermittelt werden.
Der Anstieg auf das neue Rekordniveau hat bei Oppositionspolitikern, Gewerkschaften, Wirtschaftswissenschaftlern und Wirtschaftsverbänden den Ruf nach Reformen lauter werden lassen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) müsse seine »Taktik der ruhigen Hand« nun aufgeben und endlich entschlossen die Hindernisse für Wachstum und Arbeit in Deutschland abbauen, forderte CSU-Chef Edmund Stoiber. CDU-Generalsekretär Volker Kauder sprach von der »größten wirtschafts- und sozialpolitischen Katastrophe der deutschen Nachkriegsgeschichte« und warf Schröder Untätigkeit vor. Gleichzeitig sprach er sich für mehr betriebliche Bündnisse für Arbeit, eine Absenkung der Beiträge in der Arbeitslosenversicherung, eine wachstumsfördernde Energiepolitik, ein neues Steuerrecht mit radikaler Vereinfachung und wettbewerbsfähigen Unternehmenssteuern aus.
FDP-Bundesvorsitzender Guido Westerwelle forderte die Bundesregierung auf, den Weg für Neuwahlen freizumachen. Die Zahlen seien eine »Bankrotterklärung«.
Einen Kurswechsel forderte auch die IG Metall. »Der Negativrekord hat endgültig gezeigt, dass die Politik der Entlastung von Unternehmen bei gleichzeitiger Belastung von Arbeitnehmern nicht zu weniger Arbeitslosen, sondern zu einem Höchststand der Massenarbeitslosigkeit geführt hat«, sagte der Vorsitzende Jürgen Peters.
Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Ulrich Blum, sprach sich für eine drastische Senkung der Lohnnebenkosten aus.
Der Handwerks-Präsident Otto Kentzler sprach sich für eine grundlegende Verbesserung der binnenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen aus. »Das bedeutet, weniger Staat durch Senkung der Sozialabgaben und der Steuerlast, durch Entbürokratisierung und Flexibilisierung am Arbeitsmarkt«, sagte er.
Die offizielle Zahl von fast 5,04 Millionen Arbeitslosen im Januar entspricht nach Ansicht des Präsidenten des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Ulrich Blum, nicht der tatsächlichen Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt. »Die wahre Zahl lautet gut neun Millionen Arbeitssuchende.«
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement forderte angesichts der dramatischen Entwicklung gestern ein nationales Vorgehen im Kampf gegen die Job-Krise. Der Ausbildungspakt habe gezeigt, dass dies möglich sei und Erfolg bringen könne.

Artikel vom 03.02.2005