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Fischers Verantwortung klären

Im Gespräch: Hans-Peter Uhl (CSU), Vorsitzender der Visa-Untersuchung

Bielefeld (WB). Hunderttausende ungeprüfter Visa, weil die Führung des Auswärtigen Amtes es so wollte, und mögliche Nebengeschäfte mit dem Druck von Reiseschutzpässen: Das ist der Stoff, mit dem sich der Visa-Untersuchungsausschuss des Bundestages befassen muss. Mit dem Ausschuss-Vorsitzenden, Hans-Peter Uhl von der CSU, sprach Reinhard Brockmann.Hans-Peter Uhl, CSU, ist Vorsitzender des Visa-Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag.
Was ist dringender zu klären: Der Volmer-Erlass oder der Volmer-Verdienst?Hans-Peter Uhl: Der Untersuchungsausschuss muss klären, wie es zu dem mittlerweile unbestrittenen Missstand hunderttausendfach nahezu ungeprüfter Visavergabe an deutschen Auslandsvertretungen kommen konnte. Hierbei wird Herr Volmer ein sehr wichtiger Zeuge sein. Dass zwischen seiner Politik und seiner Tätigkeit für die Bundesdruckerei ein Zusammenhang besteht, ist bislang nur ein Verdacht. Gleichwohl wird Herr Volmer gewiss auch Fragen nach seinem Nebenverdienst gestellt bekommen.

Im »Zweifel für die Reisefreiheit« klingt super. Was haben Sie gegen diesen schönen Grundsatz?Uhl: Dieser Grundsatz könnte für vernünftig und humanitär verdienstvoll gelten, wenn er in einem überschaubaren Bereich von Grenz- und Härtefällen angewendet würde. Allem Anschein nach war dieser Grundsatz jedoch eher so gemeint, dass der Visumantragsteller gar keine Belege mehr zu erbringen brauchte, um Zweifel an seinen Angaben auszuräumen. Denn gemäß der Weisung vom März 2000 sollten die Konsularbediensteten »im Zweifel« (in der Regel) keine weiteren Nachweise über den Reisezweck und die Finanzierung mehr verlangen. Somit wurden die Beamten gezwungen, trotz ihrer fortbestehenden Zweifel das Visum auszureichen. So kann es geschehen sein, dass ein »schöner Grundsatz« die Erschleichung von Sichtvermerken begünstigte und zum Nährboden für Schleusungen und Menschenhandel ausartete.
Nicht alle im Auswärtigen Amt waren glücklich über die neue Visa-Politik. Aber dürfen die Diplomaten des Herrn Fischer vor dem Ausschuss Êgegebenenfalls auch gegen ihren Minister Stellung beziehen?Uhl: In der Tat gibt es Hinweise darauf, dass viele Fachleute vor den Folgen der veränderten Visapolitik gewarnt haben. Im Ausschuss sind alle Zeugen zur Wahrheit verpflichtet.
Wie lautet ÊIhre wichtigste Frage an Joschka Fischer, so er eines Tages vor Ihnen sitzt?Uhl: Die wichtigsten Fragen an Außenminister Fischer werden die nach seiner politischen Verantwortung sein. Was wusste er von den erheblichen Missbräuchen und was hat er in angemessener Zeit getan, um sie einzuschränken?
Und was muss ÊHerr Volmer Ihnen erklären?Uhl: Mit dem Erlass vom 3. März 2000 hat das Auswärtige Amt stark in die Visaerteilungspraxis an den deutschen Botschaften eingegriffen. Für dieses zentrale Dokument war Herr Volmer unbestritten der Namensgeber. Er sagte auch, dass er der Ideengeber gewesen sei und dass er heute alles genau wieder so veranlassen wollte. Demgegenüber gab er vor einigen Tagen plötzlich an, den Erlass nur zur nachträglichen Billigung vorgelegt bekommen zu haben. Die eigentliche politische Verantwortung sei bei Minister Fischer zu sehen. Diese Widersprüche muss Herr Volmer im Ausschuss erklären.
400 000 Euro soll die Firma »Synthesis« erhalten haben. Ihr Mitinhaber Ludger Volmer gibt an, 18 000 Euro bekommen zu haben. Wo steckt die Differenz von 382 000 Euro?Uhl: Das ist eine der offenen Fragen, auf deren Beantwortung durch Herrn Volmer viele Menschen warten. Doch leider wird er uns in der nächsten Ausschuss-Sitzung am 17. Februar noch nicht zur Verfügung stehen, weil die rot-grüne Ausschussmehrheit seine Anhörung auf unbestimmte Zeit vertagt hat. Auch ich bedauere dies sehr.

Artikel vom 02.02.2005