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Schulboykott:
Eltern müssen
Strafe zahlen

Erzwingungshaft angedroht

Von Ernst-Wilhelm Pape
Paderborn (WB). Das Amtsgericht Paderborn hat ein Elternpaar wegen Verstoßes gegen das Schulpflichtgesetz zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilt. Die Eltern hatten sich aus religiösen Gründen geweigert, ihren neun Jahre alten Jungen zur Schule zu schicken.

Das Gericht habe damit einen Bußgeldbescheid des Kreises Paderborn bestätigt, sagte Oberstaatsanwalt Günter Krüssmann dieser Zeitung. Der 42-jährige Vater und die 39 Jahre alte Mutter hätten eine vorsätzliche Ordnungswidrigkeit begangen. Werde die Geldstrafe nicht gezahlt, werde die Staatsanwaltschaft Erzwingungshaft beantragen.
Der Kreis Paderborn hatte im Dezember gegen insgesamt sieben Elternpaare Bußgeldbescheide verhängt. Väter und Mütter sollten jeweils 250 Euro zahlen, da sie insgesamt 15 Kinder vom Schulbesuch fernhalten. Die strenggläubigen aus Kasachstan stammenden Eltern, die der Glaubensgemeinschaft der Baptisten angehören, nehmen Anstoß am Sexualkundeunterricht und an modernen Lernmethoden. Auch die übrigen sechs Elternpaare müssen jetzt mit einer Verurteilung rechnen. Alle Eltern hatten Einspruch gegen die Bußgeldbescheide eingelegt. Sie hatten bis zum 28. Januar Zeit, ihren Einspruch zu begründen.
Die Lehrergewerkschaft Verband Erziehung und Wissenschaft (VBE) hat gestern die Bezirksregierung Detmold und das NRW-Schulministerium aufgefordert, im Fall der Schulverweigerer Strafanzeige wegen Beleidigung zu erstatten. Lehrkräfte seien öffentlich diffamiert worden, sagte VBE-Vorsitzender Udo Beckmann. Die Regierung dürfe es nicht zulassen, dass Beamte in dieser massiven Form beleidigt würden. Bisher hätten Bezirksregierung und Schulministerium die betroffenen Lehrer im Regen stehen lassen. Auch im Hinblick auf »eine schleichende Schulpflichtverletzung« sei die Regierung im Paderborner Fall sprachlos geblieben.
Unterdessen hat das Schulministerium die Weisung erlassen, bereits angekündigte Zwangsmaßnahmen nicht zu vollstrecken. Die fünf betroffenen Schulen hatten den Eltern schriftlich mitgeteilt, dass ihre Kinder notfalls mit Polizeigewalt zur Schule gebracht werden. »Eine Vollstreckung ist ausgesetzt,« sagte Nina Schmidt, Sprecherin von NRW-Schulministerin Ute Schäfer (SPD/Lage). Neue Entscheidungen seien erst nächste Woche zu erwarten, da noch ein Gespräch zwischen dem Integrationsbeauftragten des Landes, Dr. Klaus Lefringhausen, mit den Eltern ausstehe. Das Gespräch soll am Wochenende stattfinden. Das erste Gespräche hatte keine greifbare Annäherung der Standpunkte gebracht.
Az. 21b owi 120 Js 327/04 - 176/04
Ostwestfalen-Lippe

Artikel vom 02.02.2005