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»Gewerkschaften längst
noch nicht aus der Mode«

»Transnet« zeichnete 125 verdiente Jubilare aus

Quelle (ho). Für Arthur Kriegel, ehemals Schlosser bei der Bahn in Bielefeld, war es ein außergewöhnlicher Tag: Der 94-Jährige wurde bei der Jubilarehrung der Eisenbahnergewerkschaft »Transnet« im »Hotel Büscher« in Quelle besonders geehrt. Er gehört der Gewerkschaft seit 80 (!) Jahren an. Arthur Kriegel (94, Mitte) wurde von Bürgermeister Horst Grube (l.), Alfons Kleine und Detlef Bettermann {r.) für 80-jährige Gewerkschaftszugehörigkeit geehrt.
Bei der alle zwei Jahre stattfindenden Ehrung galt es, viele langjährige, treue Mitglieder auszuzeichnen. Neben Urkunde und Nadel bekamen die Jubilare je nach Zugehörigkeit eine Wanduhr, eine Armbanduhr oder eine Taschenuhr. »Sie sind lebende Beispiele für die Geschichte und Tradition der Gewerkschaften, haben vieles über sich ergehen lassen müssen und die Höhen und Tiefen seit der Privatisierung der Bahn miterlebt«, sagte Alfons Kleine, Bereichsleiter der Region West von »Transnet«. Als »in der Geschichte der Bahn noch nicht da gewesen« kritisierte Kleine den dramatischen Stellenbau (200 000 seit der Privatisierung). In diesem Jahr wolle sich die Bahn von weiteren 10 000 Mitarbeitern trennen. »Mit Gewalt soll die Börsenfähigkeit des Unternehmens hergestellt werden«. Politisch betrachtet sei die Bahn immer noch im Besitz des Bundes. Zwar erachte auch seine Gewerkschaft Veränderungen in der Sozialgesetzgebung für notwendig, »aber wenn, dann für alle. Einseitige Belastungen müssen hart bekämpft werden«. Starke Gewerkschaften seien deshalb notwendiger denn je zuvor.
Bei dem schnellen Wandel in der Wirtschaft dürften die Interessen des Einzelnen nicht verloren gehen, soziale Gerechtigkeit sei zum Standard der Gesellschaft geworden und überzeugte Gewerkschafter seien dabei ein wichtiger Aktivposten, meinte Bürgermeister Horst Grube. Die Stadt Bielefeld habe mit der Bahn so ihre eigenen Erfahrungen gemacht, erinnerte Grube »an die unendliche Geschichte des Bahnhofs«. Nach »dem Trauerspiel wird das restaurierte Gebäude aber sehr schön«, meinte Grube versöhnlich. Er lobte die Jubilare als Beispiel und Vorbild in guten wie in schlechten Zeiten und dankte für deren arbeits- und sozialpolitisches Engagement.
Angesichts der Arbeitsmarktlage habe Beschäftigungssicherung derzeit »hohe Priorität für die Gewerkschaften«, so Detlef Bettermann, Bereichsleiter beim Hauptvorstand der »Transnet«. Es gelte auch, den einfachen Parolen zum Standort Deutschland auf den Zahn zu fühlen. »Manche sehen Tarifautonomie und Mitbestimmung als Teufelszeug. Denen passt die ganze Richtung nicht«. Die Gewerkschaften würden diese Angriffe entschieden abwehren. Dien insgesamt versammelten 5 275 Jahre Mitgliedschaft zeigten, »dass Gewerkschaften eben nicht für alle und jeden aus der Mode gekommen sind«.

Artikel vom 02.02.2005