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»Eine Wertschätzung wie noch nie«

Druck und Komplimente: Die Unparteiischen standen mit Mittelpunkt

Leverkusen (WB/dpa). Die Anspannung für die Schiedsrichter war selten größer als am ersten Pflichtspiel-Wochenende nach Aufdeckung des Wett-Skandals. »Ich kann schlecht schlafen. Der Druck war besonders groß«, bekannte Referee Uwe Kemmling nach der von ihm geleiteten Partie Bayer Leverkusen gegen VfL Bochum.
Nach dem Abpfiff der Bundesliga Samstag-Spiele gegen 17.15 Uhr konnten die sieben Unparteiischen jedoch erleichtert aufarbeiten. »Kompliment an alle. Wir hatten ein Fair Play, wie wir es uns wünschen«, bilanzierte Kemmling. Häme, Empörung und Spott wurden nur auf vereinzelten Transparenten kundgetan. Auch bei den Sonntag-Partien gab es keine besonderen Vorkommnisse.
»Ich bin stolz, dass dieser Zuspruch aus der gesamten Fußball- Familie gekommen ist. Wir haben heute eine Wertschätzung erfahren, wie noch nie zuvor«, stellte auch Franz-Xaver Wack, Leiter der Begegnung Hamburger SV - FSV Mainz 05, fest. Zur Entspannung der Atmosphäre in den neun Stadien trugen auch die Appelle für Fairness durch Stadionsprecher bei. In Leverkusen wurden vor dem Spiel gegen Bochum zudem 10 000 Handzettel verteilt, auf denen die Fans zur Besonnenheit aufgefordert wurden.
Nur einige Plakate und Transparente spielten auf den Zuschauerrängen auf den Wettbetrug an. »Liebe Schiedsrichter, können wir heute gewinnen, oder habt ihr gegen uns gewettet«, war beim Anpfiff Freiburg - Wolfsburg zu lesen. In Hamburg hielten Fans ein Banner mit der Aufschrift »Gehe ins Gefängnis, gehe nicht über Los und ziehe kein Geld ein!« hoch.
In Zurückhaltung übten sich aber nicht nur die Fans, sondern auch Spieler, Trainer und die Unparteiischen selbst. »Ich bin heute sensibler vorgegangen«, bekannte Stefan Trautmann, der die Partie 1. FC Kaiserslautern - Schalke 05 pfiff. Dabei hatte er bei einer Attacke des Lauterers Amanatidis gegen Krstajic nur Gelb gezückt. Der DFB-Beobachter Eugen Strigel stellte fest: »Trautmann hätte auch Gelb-Rot zeigen können. Aber er wollte sich nicht in eine Hauptrolle drängen.«
Ruhiger verhielten sich auch die Trainer am Spielfeldrand. »Ich bin immer mit Emotionen dabei. Aber man muss jetzt nicht auf die Schiedsrichter losgehen«, sagte HSV-Chefcoach Thomas Doll und stellte fest: »Wir haben unseren Teil dazu beigetragen, dass der Schiedsrichter heute kein schweres Leben hatte.« Vor dem Spiel hatte er ein Fairplay-Appell an die Zuschauer gerichtet.
Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter Manfred Amarell glaubt jedoch nicht an ein schnelles Ende der Affäre und seiner Folgen: »Das wieder gerade zu biegen, was vorgefallen ist, wird zehn Jahre dauern.«

Artikel vom 31.01.2005