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Von Pfarrer Stefan Engelking

Das Wort zum Sonntag


Es ist fünf Wochen her, dass viele von uns ein neues Wort gelernt haben: Tsunami. Was dort geschehen ist, hat weite Teile der Welt aufgewühlt. Eine unvergleichliche Welle der Hilfsbereitschaft hat sich nach der Welle des Todes aufgebaut. Unvorstellbares Leid soll gelindert werden, soweit Menschen dies füreinander tun können. Und das ist auch gut so.
Verbunden mit einer solchen Katastrophe ist für viele Menschen die Frage nach Gott. Schnell erklingt die Infragestellung der Existenz Gottes: Kann es einen Gott geben, wenn so etwas auf der Erde möglich ist? Wenn es ihn gibt, wo ist er gewesen, als die Naturgewalt so unerbittlich zugeschlagen hat?
Fragen, auf die wir Menschen keine endgültigen Antworten geben können. Fragen, die nur Gott selbst beantworten kann. Genauso wie die Frage: Warum hat er die Schreie der Ertrinkenden nicht gehört und erhört und sie errettet? Wenn wir das Wort für Sonntag betrachten, wird der Spieß umgedreht. »Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht.« Wir finden es im Hebräerbriefl. Aber dabei handelt es sich um einen Gedanken, der schon im Alten Testament aufgekommen ist, in Psalm 95. Anstatt zu fragen: Gott, warum hörst du uns nicht?, müssen wir uns indirekt fragen lassen: Warum verstockt ihr eure Herzen und seid nicht bereit, auf Gott zu hören? Wo sind wir offen für ihn? Wo lassen wir ihn zu uns sprechen?
Bevor wir ein Urteil über jemand anderen fällen, könnten wir ja zuerst einmal uns selbst prüfen. Vor den Ansprüchen an andere erst einmal die eigene Bereitschaft prüfen, sich in der von anderen erwarteten Weise zu verhalten.
Und wenn wir bereit sind, auf Gott zu hören, werden wir gewiss auch Antworten auf unsere Fragen erhalten. Dann werden wir verstehen, dass Gott auch Rufe erhört hat. Dass Menschen durch sein Eingreifen gerettet wurden. Nur, warum es bei dem einen so und bei dem anderen so ausgegangen ist, das bleibt für uns im Geheimnis Gottes verborgen. Genau das macht es für uns aber oft so hart und schwierig, an Gott festzuhalten. Denn was wir nicht begreifen können, dem verschließen wir uns leicht - manchmal vielleicht etwas voreilig. Denn wenn wir bereit sind, Gott dennoch zuzuhören, dann erhalten wir unsere Antworten und Hilfen. Wenn wir unsere Herzen nicht verstocken, dann spricht er zu uns. Dann sagt er uns unter anderem: »Ich habe die Not gesehen. Ich berge die Verstorbenen in meiner Hand, damit sie nicht für immer verloren sind. Ich werde sie auferwecken, damit sie die Möglichkeit haben, in der Ewigkeit mit mir zu leben. Dafür habe ich vor rund 2000 Jahren meinen Sohn in den Tod gegeben und wieder auferweckt.«
Wenn wir diese Botschaft kurz vor dem Beginn der Passionszeit hören, erinnern wir uns an das Leiden Christi. Wie er gefoltert und gegeißelt wurde. Wie dies erst ein Ende fand im Tod am Kreuz.
Die Botschaft vom Kreuz aber ist es gerade, die uns Hoffnung und Trost geben möchte. Weil wir daran erkennen können, dass Gott um unser Leid weiß. Leid, das in einer Weise über viele Menschen gekommen ist, wie es in seiner vollkommenen Tiefe allein von Gott ermessen werden kann. Und genau darum die Aufforderung: »Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht.«

Artikel vom 29.01.2005