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Schule ohne
Hausaufgaben

»Internat für OWL« stellte sich vor

Von Dietmar Kemper und
Stefan Hörttrich (Foto)
Bielefeld/Kalletal (WB). Die Schüler des Privatschulinternats Schloss Varenholz im lippischen Kalletal können mit dem Luftgewehr schießen, Kanu fahren und den Angelschein machen. Hausaufgaben kennen sie nicht, statt dessen haben sie zwei Stunden Förder- und Übungsunterricht am Nachmittag.
Josef Drüke: »So sieht das Privatschulinternat Schloss Varenholz aus.«

In den Klassen der staatlich anerkannten privaten Realschule drängen sich nicht 30, sondern lernen höchstens 20 Jungen und Mädchen. Das ist einer der Hauptgründe für den starken Schüleranstieg von 50 auf 220. »Die schlechten Noten, die Deutschland bei dem Leistungsvergleich PISA erhielt, haben bei uns zu verstärkter Nachfrage von besorgten Eltern geführt«, sagte der Sprecher von Schloss Varenholz, Josef Drüke, dieser Zeitung.
Gestern stellte er seine Schule bei einer Informationsveranstaltung im Bielefelder Hotel Mövenpick vor - genauso wie die Kollegen die Stiftung Landschulheim am Solling in Holzminden. Das Internat kurz hinter der niedersächsischen Grenze gehört zu den staatlich anerkannten Gymnasien. »Eltern erhoffen sich bei uns eine bessere Förderung ihrer Kinder«, weiß Drüke aus Gesprächen.
In Schloss Varenholz kümmern sich neben den Lehrern 44 Diplom- und Sozialpädagogen oder staatlich anerkannte Erzieher um die Schüler. »Sie gehen mit in den Unterricht, um ständig über den Leistungsstand informiert zu sein«, erklärte Drüke. Um die besten Schüler gezielt auf den Übergang zum Gymnasium vorzubereiten, habe das Internat eine spezielle Oberstufenklasse eingerichtet. Für diejenigen, die nach Klasse 10 mit einer Ausbildung beginnen wollen, pflegt Schloss Varenholz Kontakte zur Wirtschaft und kooperiert etwa beim Bewerbungstraining mit Industrie- und Handels- sowie den Handwerkskammern. Das Internat hat eine Holz- und Metallwerkstatt eingerichtet und erteilt Technikunterricht.
Die Wirtschaftsjunioren Lippe hätten Varenholz im Dezember 2004 als »ausbildungsfreundliche Schule« ausgezeichnet, berichtete Drüke. »Wir sehen uns als Internat für Ostwestfalen-Lippe, ein Drittel der Schüler kommt aus der Region«, berichtete er. Damit die Verbindung zu den Eltern nicht abreißt, müssen die zehn bis 16 Jahre alten Kinder alle 14 Tage nach Hause zurück. So schreiben es die Schulregeln vor. Bis zu 30 Prozent verzichten an den Wochenenden dazwischen auf die Heimfahrt.
Das Freizeitangebot ist umfangreich. Die Schüler können sämtliche Ballsportarten betreiben, im Chor singen oder auf der Weser den Bootsführerschein erwerben. Bei 1500 bis 1800 Euro monatlich ist der Aufenthalt in Schloss Varenholz allerdings nicht billig. »Das können sich nur Wohlhabende erlauben«, betont Sabine Unger, Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW Ostwestfalen-Lippe. Sie befürchtet eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Schülerschaft: »Einige erreichen mit dem Geld ihrer Eltern das Abitur, während andere im staatlichen Schulsystem nicht genügend gefördert werden und dadurch ihre Berufschancen sinken.« Die Blüte der Privatschulen zeige: »Immer mehr Eltern wollen ihre Kinder um jeden Preis in eine gute berufliche Startposition bringen.«

Artikel vom 31.01.2005