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Eltern verbieten Playstation

Bielefelder Jugendforscher: Die Strafe bringt nichts

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Immer häufiger nehmen Eltern ihren Kindern die Playstation oder den Gameboy weg, wenn sie schlechte Schulnoten mit nach Hause bringen oder sich disziplinlos verhalten. »Diese neue Form der Bestrafung hat das Fernsehverbot ergänzt und teilweise sogar ersetzt«, sagte der Kindheits- und Jugendforscher der Universität Bielefeld, Christian Palentien, dieser Zeitung.
Christian Palentien vom Zentrum für Kindheitsforschung. Foto: Pierel

Spielekonsolen und Computer genießen bei Jugendlichen einen hohen Stellenwert. Deutschlands Teenager besitzen fünf Millionen Playstation-Geräte der ersten Generation, 3,2 Millionen PS2 und mehr als zehn Millionen Gameboys. Mittlerweile haben auch Fernsehserien die beliebte Möglichkeit, dem Nachwuchs einen Denkzettel zu verpassen, aufgegriffen. Palentien: »Auch in der 'Lindenstraße' gibt's Computerverbot. Eltern handeln nach der Devise, dass das am meisten hilft, was am meisten schmerzt.«
Der Wissenschaftler rät allerdings von dieser Form der Bestrafung ab. Sie bringe nichts und verlagere schulische Probleme unnötig in die Familien. Palentien: »Der Junge kann keinen Zusammenhang zwischen einer Fünf in Mathe und dem Playstationverbot erkennen, weil für ihn das eine mit dem anderen nichts zu tun hat.« Anstatt Ansporn zu sein, mehr zu lernen, stellten sich Frust und Trotz ein. Der Junge leide selber unter dem Versagen in der Schule und fühle sich zusätzlich bestraft.
Statt dessen empfiehlt Palentien »kreative Lösungen«. Eltern sollten mit dem Lehrer ihres Kindes einen Plan ausarbeiten, wie die Noten verbessert werden können. Als nützliches Instrument, um das Niveau zu heben, stuft der Forscher altersgerechte Lernsoftware ein, die es inzwischen für alle wichtigen Fächer gebe. »Das Kind glaubt, es spielt und lernt dabei«, beschreibt Palentien den Effekt.
Sanfter Druck helfe auch weiter, wenn der Jugendliche den Controller gar nicht mehr aus der Hand legen will. »Eltern müssen natürlich gucken, was ihre Kinder machen. Wenn der Junge das Lernen schleifen lässt, sollten sie Zeitkonten für die Benutzung der Playstation aushandeln«, rät der Experte. Beispiel: Der Junge darf zehn Stunden in der Woche spielen. Überzieht er um zwei Stunden, darf er in der Woche darauf nur acht Stunden daddeln.
Aber nicht nur nach schlechten Noten beschlagnahmen Eltern die Playstation. Haut der Nachwuchs einfach ab oder kommt er zu spät nach Hause, droht Spielverbot. Auch in solchen Fällen empfiehlt Palentien das Gespräch. »Vom elften oder zwölften Lebensjahr an orientieren sich Jugendliche von der Familie weg hin zu den Freunden. Weil sie nicht an die Zukunft denken, sind ihnen abendliche Aktivitäten wichtiger als mögliche Sanktionen in der nächsten Woche.« Eltern sollten ihnen klar machen, dass sie für ihre Sicherheit verantwortlich sind.

Artikel vom 31.01.2005