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Millionen Wähler im
Irak trotzen Gefahren

Hohe Beteiligung - Serie von Anschlägen und Überfällen

Bagdad (Reuters). Extremisten haben gestern am Wahlsonntag im Irak ihre Drohung wahr gemacht und mit einer Serie von Anschlägen und Überfällen versucht, die ersten freien und demokratischen Wahlen der Bevölkerung zu stören. Doch ging deren Rechnung nicht auf: Millionen irakischer Wähler trotzten aller Gefahr.

Vor allem die Schiiten im Süden und die Kurden im Norden gingen offensichtlich unbeeindruckt an die Urnen. Lediglich im sunnitischen Kernland, wo bereits im Vorfeld der Wahl Terror und Gewalt am schlimmsten gewütet hatten, war die Beteiligung etwas schwächer. Nach vorläufiger Schätzung der Wahlkommission dürfte die Beteiligung landesweit über 70 Prozent liegen, später revidierte die Kommission die Zahl auf mehr als 60 Prozent.
Bei den Explosionen an verschiedenen Wahllokalen in der Hauptstadt, aber auch in anderen Städten kamen nach Angaben der Polizei bis zum Mittag mindestens 30 Menschen ums Leben. Allein in Bagdad wurden bis zum Nachmittag neun Anschläge gezählt. Im Internet bekannten sich die Al-Kaida-nahen Anhänger Abu Mussab al-Sarkauis zu zahlreichen Anschlägen.
Einer der ersten, die ihre Stimme abgaben, war Iraks Präsident Ghasi al-Jauar, der der sunnitischen Glaubensrichtung angehört und über eine breite Anhängerschaft verfügt. Lächelnd kam er - wie alle Wähler mit einem zur Identifizierung blau gefärbten Finger - vom Urnengang zurück: »Gott sei Dank. Ich hoffe, jeder wird hinaus gehen und seine Stimme abgeben.« Ebenfalls in der stark gesicherten Grünen Zone Bagdads gab auch Ministerpräsident Ijad Allaui schon am Morgen seine Stimme ab, während in dichter Folge die Nachrichten über immer neue Anschläge auf Wahllokale in verschiedenen Stadtvierteln eingingen.
»Dies ist ein historischer Tag für den Irak, ein Tag, an dem die Iraker erhobenen Hauptes gehen können, weil sie den Terroristen widerstehen und beginnen, ihre Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen«, sagte Allaui. Bereits kurz nach Öffnung der Wahllokale hatte eine Serie von Selbstmord-Bombenanschlägen in Bagdad begonnen. Die Attentäter kamen dabei meist zu Fuß.
In Basra, das im schiitisch dominierten Süden des Landes liegt, war die Wahlbeteiligung lebhaft. Allgemein wird erwartet, dass die unter Saddam Hussein Jahrzehnte lang unterdrückte schiitische Bevölkerungsmehrheit auch als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorgehen wird - ein Umstand, den viele der sunnitischen Anhänger des ehemaligen Präsidenten fürchten.
Eine der größten Überraschungen zeigte sich in der von Sunniten und Kurden bevölkerten Stadt Mossul, wo Spannungen erwartet worden waren. Ein US-Offizier sagte, es sei dort alles viel besser gelaufen als erwartet.
Das Endergebnis wird voraussichtlich erst in zehn Tagen bekannt gegeben.

Artikel vom 31.01.2005