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Weiteres NPD-Verbotsverfahren denkbar

Vorstoß der beiden obersten Verfassungsrichter - Demonstration in Kiel mit Krawallen

Berlin (ddp). In der Debatte um das Vorgehen gegenüber der NPD haben Überlegungen für ein weiteres Verbotsverfahren gegen die rechtsextremistische Partei neue Nahrung erhalten. In Kiel demonstrierten 8500 Menschen gegen Rechtsextremisten.

Sowohl der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, als auch Vizepräsident Winfried Hassemer machten am Wochenende deutlich, dass sie ein erneutes Verbotsverfahren für denkbar halten. In der rot-grünen Koalition wurde der Vorstoß unterschiedlich aufgenommen. Auch die Union reagierte zurückhaltend.
Papier betonte, das Verfassungsgericht habe in dem Verbotsverfahren im März 2003 »keine Entscheidung über die Frage der Verfassungswidrigkeit der NPD getroffen«. Er verwies darauf, dass sich der Verbotsantrag zum Teil auf Äußerungen von V-Leuten des Verfassungsschutzes gestützt habe, die »damals Einfluss auf die Willensbildung und das Erscheinungsbild dieser Partei« gehabt hätten. Unter diesen Umständen habe das Gericht ein rechtsstaatliches Verfahren als »nicht gewährleistet« angesehen. Die Einstellung des damaligen Verbotsverfahrens stelle jedoch »keine Vor-Entscheidung über künftige Verbotsanträge dar«.
Hassemer bezeichnete ein Verbotsverfahren gegen die NPD als »durchführbar«. Allerdings müssten die Antragsteller dafür sorgen, dass kurz vor und während eines Verbotsverfahrens Spitzel aus den Führungsgremien der Partei abgezogen oder zumindest abgeschaltet würden. Zur Einstellung des NPD-Verbotsverfahrens vor zwei Jahren sagte der Vizepräsident des Verfassungsgerichts, der damalige Beschluss habe »nichts mit einer tatsächlichen Verfassungswidrigkeit dieser Partei« zu tun gehabt. »Wir haben der NPD keinen Persilschein ausgestellt.«
SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz wertete die Äußerungen der beiden Verfassungsrichter als »Knaller aus Karlsruhe«. Es sei »außerordentlich ungewöhnlich«, dass sich Verfassungsrichter in eine aktuelle Diskussion einbrächten, die das Gericht vor zwei Jahren »zentral beschäftigt« habe. »Selbstverständlich haben solche Stimmen ein hohes Gewicht«.
Mehr als 8500 Menschen haben am Samstag in Kiel gegen einen Aufzug von 450 Rechtsextremisten protestiert. Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und antifaschistische Gruppen hatten dazu aufgerufen, gegen Rechtsradikalismus ein Zeichen zu setzen. Das ist die richtige Antwort auf den unseligen Marsch der Neonazis«, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD).
Überschattet wurde die Veranstaltung von stundenlangen gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und 1000 gewaltbereiten Links-Autonomen. Die Beamten setzten Wasserwerfer ein und nahmen 70 Linke und zwei Rechtsextreme fest. Mehrere Menschen wurden verletzt.

Artikel vom 31.01.2005