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Fragmentarische Bilder
Versatzstücke des Lebens

Kunstverein präsentiert zeitgenössische figürliche Malerei

Bielefeld (uj). Mit Johannes Spehr und Nikolaus List rückt der Kunstverein in seiner ersten von Dr. Stefanie Heraeus kuratierten Ausstellung zwei Künstler in den Mittelpunkt, die sich der figürlichen Malerei verschrieben haben. Beide verbindet, dass sie 1965 in Frankfurt geboren wurden und zusammen an der dortigen Städelschule studierten. In unterschiedlicher Bildsprache finden beide zu surreal anmutenden Szenarien.

Nikolaus List entwickelt seine Imaginationswelten auf großformatiger Leinwand. Er greift traditionelle Bildmotive der Genremalerei des 19. Jahrhunderts auf -ÊHuldigungsszenen im Sonnenuntergang, der vom Mondlicht beschienene Märchenwald, ornamentumrankte Landschaften - und verbindet sie mit »Requisiten« des modernen Lebens. Stefanie Heraeus: Nikolaus Lists Arbeiten gehören zu jener Art zeitgenössischer Malerei, die sich den Bildschatz von Träumen, Drogen, Fantasyfilmen und Ritterromanen, Esoterikratgebern, Heavy-Metal-Covern und Trashliteratur zu Eigen macht. Er spielt mit den Inszenierungsmitteln des Kitsches, mit der Ästethik von Plattencovern und Tattoos.« Der neuen Leiterin des Kunstvereins ist klar, dass die Werke »diskussionswürdig« sind und in Richtung einer tendenziellen Provokation zielen.
In einem im Malgestus an Michelangelo erinnernden Gemälde scheint List gar das jüngste Zeitgeschehen, nämlich die Flutkatastrophe in Südostasien, aufzugreifen. Eine gigantische Welle teilt sich in der Mitte der Leinwand und speit umschlungene Leiber aus. List hatte zum Zeitpunkt der Katastrophe bereits mit dem Bild begonnen, weiß Heraeus zu berichten. Gleichwohl wurde es unter dem Eindruck der Bedrohung und des Elend vollendet.
Schwer zu fassen in seiner künstlerischen Aussage ist Johannes Spehr, obwohl seine Zeichnungen, die er stets in einem Installationszusammenhang präsentiert, penibel vorgezeichnet und ausaquarelliert sind. Auf den ersten Blick scheinen seine klischeehaften Szenarien eindeutig Position zu beziehen, doch bei genauer Betrachtung entziehen sie sich der Deutung. Spehr spielt mit Absurditäten, seine fragmentarischen Bilder sind wie Versatzstücke des Lebens.
Schauplätze sind zumeiste beschädigte Innen- oder Außenräume, in denen Menschen kuriosen Beschäftigungen nachgehen. Sich nie eindeutig festlegend, legt Spehr ambivalente Spuren - etwa wenn wie in einem seiner Bilder eine harmlos wirkenden Frau mit zwei Benzinkanistern über die Straße geht -Ê, die in viele Richtungen deutbar sind. Manchmal isoliert er die Figuren aus ihren komplexen Zusammenhängen und zeigt sie in Scherenschnitt-Szenarien. Das Spiel mit Versatzstücken kumuliert, wenn Spehr Einrichtungsgegenstände in Holz nachbaut und diese wiederum mit Löchern ausstattet. Heraeus: »Spehr entwickelt eine Bildsprache der Utopielosigkeit und thematisiert das aktuelle Fehlen sinnstiftender Aspekte.«
Die Austellung wird am Samstag, 29. Januar, um 17 Uhr eröffnet.

Artikel vom 28.01.2005