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Fasziniert von der Roten Waldameise

Antje Fischer folgt Konrad Hökenschnieder als Stützpunktleiter am Teutoburger Wald

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Konrad Hökenschnieder erinnert sich an eine Ameisenumsiedlung, die wahre Knochenarbeit war: Fünf Meter im Durchmesser maß das Nest, das die Insekten im Laufe von Jahren angelegt hatten. Und zwei Tage lang war er mit sieben »Mann« damit beschäftigt, die fleißigen Tierchen vorsichtig einzusammeln, um sie umzusiedeln.

Nun ist der ehemalige Berufsschullehrer 69 Jahre alt. Sein Amt als oberster Ameisenschutzwart in Bielefeld übergab er daher jetzt in jüngere Hände. Antje Fischer (34) wird seine Nachfolgerin.
Zehn Jahre lang war Hökenschnieder am Teutoburger Wald ehrenamtlicher Stützpunktleiter des 1979 in Nordrhein-Westfalen gegründeten Vereines der Ameisenschutzwarte. Als solcher hatte er bisher die Ausnahmegenehmigung von der Stadt, mit Waldameisen arbeiten zu dürfen - eine Genehmigung, die nun auf Antje Fischer übertragen wird. Denn die stehen unter besonderem Naturschutz.
Es ist die Große Rote Waldameise, der das Augenmerk der Naturfreunde gilt. Wobei der Fachmann unterscheidet zwischen der kahlrückigen Spezies, die vor allem auf dem Sandboden zwischen Quelle und Sennestadt vorkommt, und der behaarten Spezies. »Gut 400 Nester von ihnen gibt es bei uns. Damit geht es den Insekten in unserer Region recht gut«, sagt Hökenschnieder. Dabei ist das, was von den Nestern sichtbar ist, nur die Spitze des Eisbergs: »Bis zu zwei Meter tief reichen die Ameisenbauten in die Erde hinein, und häufig gibt es im Umkreis kleinere Töchterbauten«, ergänzt die Biologin Antje Fischer, die bereits seit Jahren zu den Helferinnen von Konrad Hökenschnieder gehört.
Zu den Aufgaben der Ameisenschutzwarte gehört es, überwucherte Nester wieder freizuschneiden, Wege an Nestern vorbeizuleiten, sie zu schützen (die Drahthauben von einst gehören allerdings der Vergangenheit an) oder sie auch umzusetzen, wenn sie Baumaßnahmen im Wege sind.
»Geschützt werden die Waldameisen in Deutschland seit mehr als 200 Jahren«, erzählt Hökenschnieder. Damals holten sich die Bauern ganze Nestteile oder die Eier, um sie an ihre Vögel und ihr Geflügel zu verfüttern - bis man feststellte, dass die Eichenwälder starben. »Denn die Waldameisen krabbeln auf die Bäume und vertilgen dort die Schadinsekten - und zwar bis zu 400 000 an einem Tag«, erklärt Hökenschnieder.
Ebenso brauchen die Vögel des Waldes die Ameisen als Ernährung und zum so genannten Emsen: »Dabei nimmt ein Vogel eine Ameise vorsichtig in den Schnabel und streicht damit durchs Gefieder. Das empörte Insekt verspritzt Ameisensäure - und die Milben im Gefieder gehen ein.« Auch Wildschweine suhlen sich gerne in den Nestern der Großen Roten Waldameise, um so ihre Parasiten zu bekämpfen.
Entsprechend vorsichtig müssen die Ameisenwarte auch beim Umsetzen von Nestern sein: Zwar fangen sie damit in den frühen Morgenstunden eines warmen Sommertages an, wenn die Tierchen noch ruhen. Wenn die Krabbler aber der Aktivitäten gewahr werden, verspritzen sie sofort ihre Säure. »Oft liegt ein Nebel über den Nestern«, schmunzelt Antje Fischer. Eine Brille zum Schutz der Augen ist also sinnvoll. »Und danach ist garantiert die Nase frei.«
Auch in Zukunft wird Antje Fischer sich auf Konrad Hökenschnieders Hilfe verlassen können, wenn ein Ameisennest mit Königin, vielen Arbeiterinnen und möglichst vielen Kammern umziehen muss. Denn nach wie vor ist er von den Insekten fasziniert.

Artikel vom 29.01.2005