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Bahnbrechendes Spiel
mit der Architektur

Philip Johnson tot - Kunsthalle Bielefeld ist sein Werk

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Mit Philip Johnson ist Dienstagnacht einer der bedeutendsten Architekten des vergangenen Jahrhunderts gestorben. In Bielefeld hinterließ der Amerikaner mit der Kunsthalle bleibende Spuren. Der Leiter der Kunsthalle, Thomas Kellein, würdigte Johnson gestern als »großen Langstreckenläufer des 20. Jahrhunderts«.
Philip Johnson galt als Bau-Genie. Foto: dpa
Die Kunsthalle wurde im Herbst 1968 eingeweiht. »Für Johnson typisch ist der Sandstein, den er auch bei der New York University verwendet hat«, sagte Kellein gestern dieser Zeitung. Johnson habe die Kunsthalle »schlicht und nobel wie eine romanische Kirche« gestaltet. Kellein hat Johnson mehrfach besucht und dabei einen »ungeheuer charmanten Mann« kennengelernt.
Die Fachwelt faszinierte Johnson nicht zuletzt durch seine verglasten Hochhäuser. Er selbst lebte in einem vollkommen durchsichtigen Gebäude, dem »Glass House« in New Canaan im US-Staat Connecticut, in dem er auch im Alter von 98 Jahren starb. Das 1949 entstandene Gebäude symbolisiert den »Internationalen Stil«, den Johnson 1932 in seinem gleichnamigen Buch beschrieben hatte. Zu seinen wichtigsten Bauten gehört das gemeinsam mit Mies van der Rohe entworfene Seagram Building in New York mit 38 verglasten Stockwerken.
Johnson verband Glas- und Stahlkonstruktionen mit verspielten Verzierungen, so wie bei der 55 Stockwerke hohen Zentrale der US-Telefongesellschaft AT&T, ein inzwischen von Sony genutzter Wolkenkratzer in New York, der aufgrund der geschwungenen Dachkonstruktion »Chippendale Building« getauft wurde.
»Johnson war sowohl der große Klassiker als auch der Spieler der Architektur«, betonte Kellein und erinnerte an das »Lipstick-Building«, ein Gebäude in Form eines Lippenstiftes. Johnson sei Vorreiter der Postmoderne und tragende Säule des Dekonstruktivismus gewesen. In Berlin gestaltete Johnson zwischen 1994 und 1997 an der Friedrichstraße unweit vom einstigen Grenzübergang Checkpoint Charlie ein Bürocenter, das nach ihm benannt wurde. Bei diesem Bau mit kolossalen Wandpfeilern und Anklängen an die Neogotik verzichtete Johnson bewusst auf architektonische Bezüge zu dem geschichtsträchtigen Standort. Der Freund von Frank Gehry war von 1930 bis 1936 der erste Direktor für Architektur und Design des Museum of Modern Art in New York. Das Innere der Kunsthalle Bielefeld weise Parallelen zum MoMA auf, sagte Kellein. Daniel Libeskind, Chefarchitekt für das neue World Trade Center in New York, sagte gestern: »Johnson hat die Architektur des 20. Jahrhunderts maßgeblich mitgeprägt.«

Artikel vom 28.01.2005