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Nehm rüffelt Temposünder

Bedenken gegen EU-Pläne zur Fahrzeughalter-Haftung

Goslar (dpa/AP). Generalbundesanwalt Kay Nehm hat gestern die »grundsätzliche Bereitschaft« deutscher Autofahrer zu »kontrollierten« Temposünden kritisiert.
Verkehrsregeln würden als Beschränkung der individuellen Freiheit verstanden, kritisierte Nehm als Präsident der Deutschen Verkehrsakademie gestern beim Verkehrsgerichtstag in Goslar. Tempoüberschreitungen bis zu der Grenze, ab der man den Führerschein verliere, seien »fast programmiert«. Das führe zu »massenhaft bewussten Regelverstößen«, sagte Nehm. »Ungeduld, Hektik und Aggression prägen das Bild auf unseren Straßen und Autobahnen«.
Er wies auch auf disziplinloses Verhalten von Autofahrern im Stau hin. So würden keine Gassen für Rettungsfahrzeuge freigehalten, und es werde bedenkenlos dicht aufgefahren, so dass Sanitäter häufig erst nach Zeit raubenden Fahrmanövern durchkämen.
Der Präsident des Verkehrsgerichtstages, Friedrich Dencker, sprach sich gegen eine Aushebelung des Schuldprinzips bei Verkehrsverstößen aus. Es könne nicht sein, dass der Fahrzeughalter etwa für Geschwindigkeitsüberschreitungen des Fahrers automatisch haften müsse. Der Plan der EU, wonach der Halter sich das Bußgeld beim Fahrer als dem eigentlichen Verkehrssünder zurück holen könne, widerspreche allen Rechtsprinzipien.
Dencker äußerte sich auch kritisch zu EU-Plänen, zur Verbesserung der Verkehrssicherheit Verstöße stärker zu sanktionieren So habe man durch Aufklärung und Zivilrechtsprechung erreicht, dass die Gurtanlegequote in Deutschland bei mehr als 90 Prozent liege - »kaum durch Kontrolle und Repression«. Als Beispiel nannte er Verstöße gegen die Anschnallpflicht von Kindern: Eltern, deren Kinder wegen mangelnder Sicherung im Auto verletzt oder getötet worden seien, seien durch das, was ihr Kind durch ihre Schuld erlitten habe, bereits am schlimmsten bestraft. Sinnvoller als eine härtere Strafe sei es, Eltern darüber zu informieren, dass das Sterberisiko eines mangelhaft gesicherten Kindes bei einem Unfall sieben Mal höher liege als das eines richtig angeschnallten.

Artikel vom 28.01.2005