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Dauerbrenner feiert Jubiläum

Nichts ist spannender als der Alltag: 1000. Folge am Sonntag in der ARD

Von Dietmar Kemper
ARD, Sonntag, 18.40 Uhr: Die »Lindenstraße« gehört zum Sonntag wie das Ausschlafen. Neben der Sport- und Tagesschau ist die Seifenoper das Markenzeichen der ARD. An diesem Sonntag flimmert die 1000. Folge über die Mattscheibe, und am 8. Dezember feiern Darsteller und Macher den 20. Geburtstag der erfolgreichsten Serie im deutschen Fernsehen.
Hält in der Lindenstraße nicht nur Außerirdische in Schach: Else Kling (Annemarie Wendl).

Die 150 Meter lange »Lindenstraße« spiegelt das menschliche Leben wider: mehr als 20 Hochzeiten wurden gefeiert, mehr als 30 Tote betrauert und ungezählte Schicksalsschläge beklagt. Von der Ursprungsbesetzung sind noch immer 14 Darsteller dabei, so wie Marieluise Marjan alias Mutter Beimer, die populärste Figur der Serie. Der Mann mit der Strickmütze, Hans W. Geißendörfer, ist der heimliche Star des TV-Dauerbrenners, der auf jeden Fall bis 2008 weiterlaufen soll. Regisseur und Drehbuchautor Geißendörfer hat der »Lindenstraße« ihr unverwechselbares Profil verliehen und für sein »Kind« alle renommierten Preise eingeheimst. Jetzt erwägt er sogar einen Kino-Film.
»Wenn man die ÝLindenstraßeÜ guckt, ist das so, als würde man einer Nachbarfamilie zuschauen«, erklärt Jovan Evermann. Keine andere Serie biete den Zuschauern so viele Chancen, sich mit einem der Darsteller zu identifizieren, sagte der Journalist dieser Zeitung. Evermann hat das »Lexikon der deutschen Soaps« verfasst, das im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf in Berlin erschien.
Im Gegensatz zu amerikanischen Seifenopern habe die »Lindenstraße« keinen Glamour, sondern sei »bodenständig und typisch deutsch«. Einzigartig sei auch die »politische Schwere« der Serie. Immer wieder habe Geißendörfer Themen wie Atomkraft, Ausländerfeindlichkeit oder Homosexualität aufgegriffen und klar Stellung bezogen. Ereignisse wie die Flutkatastrophe in Südostasien würden spontan eingearbeitet. Evermann (40): »Auch die tagesaktuellen Reaktionen zeichnen die Lindenstraße aus. Jede andere Serie hat mindestens sechs bis acht Wochen Vorlauf. Geißendörfer hat einen Weg gefunden, noch kurzfristig einzugreifen.«
Im Gegensatz zur Konkurrenz grenzen die Lindenstraßen-Macher die Zielgruppe nicht ein. Während sich »Gute Zeiten, schlechte Zeiten« (RTL) als Jugendformat definiert, wendet sich die »Lindenstraße« an die ganze Familie. Sie spielt in München, wird aber in Köln-Bocklemünd gedreht. Jede Woche gucken etwa fünf Millionen Menschen zu.
90 000 Requisiten stehen für die Dreharbeiten bereit, 17 Dekorationen wie Wohnungen oder das Restaurant »Akropolis« sind ständig aufgebaut. Jeden Tag erstellt das 70-köpfige Team sieben bis acht sendefertige Minuten. Das Ensemble umfasst 50 Schauspieler; zu den Männern und Frauen der ersten Stunde gehören neben Marieluise Marjan zum Beispiel Ludwig Haas (Dr. Dressler), Moritz A. Sachs (Klaus Beimer) und Annemarie Wendl (Else Kling). Im Mittelpunkt der 1000. Folge steht die Hochzeit von Iffi Zenker. Statt 30 Minuten wie sonst flimmert die »Lindenstraße« diesmal eine Viertelstunde länger über den Bildschirm. Ehre, wem Ehre gebührt!

Artikel vom 29.01.2005