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Gewerkschaften verlieren Mitglieder

Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit über Tarifpolitik als Austrittsgründe

Von Bernhard Hertlein
Berlin/Bielefeld/Paderborn (WB). Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat im vergangenen Jahr jedes 20. Mitglied verloren. Zum Jahresende 2004 zählte die Arbeitnehmer-Bewegung noch etwas mehr als sieben Millionen Beitrittszahler. Vor zehn Jahren waren es 9,7 Millionen.

Der Rückgang um 350 000 entspricht genau einem Minus von 4,8 Prozent. In den vergangenen Jahren war die Zahl der Austritte in der ehemaligen DDR höher als im übrigen Bundesgebiet. Von den sieben Millionen DGB-Mitgliedern leben zwei Millionen in Nordrhein-Westfalen und knapp eine Million in Baden-Württemberg.
Größte Einzelgewerkschaft ist Ver.di. Die letzte Mitgliederzahl datiert zur Jahresmitte 2004. Damals bedeuteten 2,53 Millionen einen Rückgang um 3,2 Prozent.
Nummer 2 unter den Einzelgewerkschaften ist die IG Metall. Ihre Mitgliederzahl reduzierte sich nach vorläufigen Angaben 2004 um 100 000 auf 2,425 Millionen.
Die meisten Austritte meldet seit einigen Jahren regelmäßig die IG Bau. Unter dem Eindruck der schweren Krise in dieser Branche sank die Mitgliederzahl auch 2004 um 7,6 Prozent auf 424 808.
Auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten agiert in einer Branche, in der weiter Arbeitsplätze abgebaut werden. Hier reduzierte sich die Zahl um 4,7 Prozent auf 225 328.
Besser schlägt sich die IG Bergbau, Chemie, Energie (BCE). Der Verlust von 30 000 Mitgliedern bedeutet allerdings immer noch einen Rückgang um 3,7 Prozent.
Relativ stabil sind die Statistiken der Gewerkschaft der Polizei (minus 1,9 Prozent auf 178 000) und der Lehrergewerkschaft GEW (minus 2,7 Prozent auf 253 913).
Nach Ansicht von Roland Engels, DGB-Vorsitzender der Region nördliches Ostwestfalen mit Bielefeld, Gütersloh, Herford, Minden und Lübbecke, ist die steigende Arbeitslosigkeit der Hauptgrund für die sinkende Mitgliederzahl. Auch ein durchschnittlicher Monatsbetrag von drei Euro sei für den, »der mit jedem Cent rechnen muss«, möglicherweise zu hoch. Darüber hinaus scheuten immer mehr junge Leute davor zurück, sich fest an eine Organisation zu binden. Engels verwies darauf, dass auch die Kirchen, Parteien und neuerdings sogar die Sportvereine unter diesem Phänomen zu leiden hätten. Immerhin seien diese Personen noch für einzelne Aktionen zu mobilisieren.
Manche Mitglieder, so Engels, kreiden den Gewerkschaften auch an, dass die neueren Tarifverträge den Beschäftigten teils deutliche Kürzungen zumuten: »Diese Leute vergessen, dass die Kürzungen noch sehr viel höher wären, wenn es die Gewerkschaften nicht gäbe.
Ende 2003 zählte der DGB im nördlichen Ostwestfalen 131 643 Mitglieder. Engels geht von einem leichten Rückgang 2004 aus, auch wenn Zahlen noch nicht vorliegen.
Demgebenüber konnte der Bezirk Paderborn-Lippe-Höxter seine Mitgliederzahl von 55 000 nach Angaben der kommissarischen Vorsitzenden Astrid Bartols 2004 stabil halten. Vor allem in der IG Metall habe es zum Jahresende mehrere Neueintritte gegeben. »Unsere Arbeit muss transparenter werden«, nannte Bartols als eine notwendige Gegenmaßnahme zur Austrittswelle. Manche Entscheidung in der DGB-Spitze hätten die Mitglieder in der Vergangenheit nur schwer nachvollziehen können. Kommentar

Artikel vom 27.01.2005