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Kohl hat keine
Chance gegen
»Xanthomonas«

Wie eine Pflanze den Feind erkennt


Bielefeld (sas). Das Bakterium Xanthomonas campestris ist fies und lässt den Kohl verrotten: Einmal infiziert, bekommt er die Schwarzaderfäule. Der Tabak- und der Paprikapflanze kann das nicht passieren: Sie erkennen das Bakterium sofort als Schädling und bekämpfen ihn. »Wie unterscheidet die Pflanze Freund und Feind? Wie erkennt sie nützliche und schädliche Bakterien?« Mit dieser Frage befasst sich der Biologe Dr. Karsten Niehaus. Seine Lieblingsmodellpflanze, die er im Gewächshaus der Universität züchtet und erforscht, ist die Luzerne.
Eine Antwort auf seine Frage hat er bereits gefunden: »Es scheint so zu sein, dass nützliche Bakterien in der Pflanze eine Immunantwort unterdrücken, dass sie quasi den richtigen Schlüssel haben.« Schädlichen Bakterien hingegen fehle er - »Gott sei Dank, sonst würden die Pflanzen krank«. Das typische Merkmal, auf das die Pflanzen offenbar reagieren, sind die Zuckerstrukturen an der Oberfläche von Bakterien. Sie bilden nicht nur ein stabilisierendes Gerüst, sondern dienen der Erkennung.
Der Kohl kann auf seinen Feind Xanthomonas nicht rechtzeitig reagieren. Die Tabakpflanze hingegen geht binnen fünf Minuten, nachdem der pathogene Keim eingedrungen ist, dagegen vor: »Sie zerstört mittels Wasserstoffperoxid ihr eigenes Gewebe, entzieht dem Bakterium damit den Nährboden und verhindert seine Verbreitung.«
Umgekehrt darf die Luzerne, einst die Futterpflanze schlechthin und in Argentinien nach wie vor auf einer Fläche von acht Millionen Hektar angebaut, auf das Bakterium Sinorhizobium meliloti nicht reagieren: Es bildet schließlich an den Wurzeln der Pflanze Knöllchen, in denen es sich vermehrt und über die es die Wirtspflanze mit Stickstoff versorgt. Ohne das Bakterium bleibt die Luzerne mickrig; ist der Boden einmal damit infiziert, blüht, wächst und gedeiht sie.
Wie genau die Kommunikation zwischen Bakterium und Pflanze abläuft, weckt die Neugierde von Karsten Niehaus. »Die Zuckerstruktur ist nur ein Teil. Offenbar aber registrieren Pflanzen auch, nachdem ein Keim eingedrungen ist und dabei die Struktur der Zellwand zerstört hat, dass Bruchstücke ihrer Selbst im Gewebe sind. Diese eigenen Bruchstücke lösen die massive Abwehr aus.«
Dass Pflanzen Selbst/Nicht-Selbst erkennen, beweisen die, die sich nicht selbst bestäuben können. »Der Gartenbesitzer kennt das: Das sind die Gewächse, von denen man zwei Exemplare braucht, wenn sie Früchte bilden sollen.« Der Biologe vermutet, dass Sinorhizobium meliloti per Zufall den richtigen Schlüssel für die Luzerne hat, die gleiche Zuckerstruktur auf der Oberfläche, die die Pflanze bildet um sich selbst in Zaum zu halten und die Abwehr zu unterdrücken. »Die Natur hat die Grundidee, mit der sie immer wieder spielt.«

Artikel vom 18.02.2005