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Staatsanwalt will
entlassen werden

Revision gegen »Solar-Freispruch«

Bielefeld (uko). Das Urteil gegen die mutmaßlichen Solaranlagen-Betrüger schlägt hohe Wellen: Nach dem milden Richterspruch gegen den Hauptangeklagten und die Freisprüche für zwei Bielefelder hat die hiesige Staatsanwaltschaft gestern Revision gegen den Spruch des Landgerichts angekündigt. Der zuständige Staatsanwalt Karl-Peter Jostmeier hat zudem um seine Entlassung gebeten.

Vor der 9. Großen Strafkammer hatten sich seit November 2004 die Chefs des in Bielefelder residierenden Unternehmens »Mika-Strom« zu verantworten. Ende 2002 hatten Horst E. (56) sowie der Bielefelder Josef W. (39, Name geändert) und dessen Lebensgefährtin Else V. M. (37, Name geändert) das Unternehmen »Mika-Strom« gegründet. Für die Vorkasse von jeweils 6 960 Euro schlossen insgesamt 77 Geschäftspartner Verträge über den Bau von Solaranlagen ab. Gebaut worden waren indes nur drei der Energieanlanlagen. Die übrigen Geschädigten blieben auf ihren wertlosen Verträgen sitzen. Es entstand ein Schaden von mehr als 500 000 Euro.
Horst E. hatte vor dem Landgericht ein Teilgeständnis abgelegt, er hatte die Betrugsfälle zu Lasten der Anleger gestanden. Die gelernte Apothekenhelferin V. und ihr Lebenspartner W. hatten sehr weinerlich beklagt, von Horst E. geblendet worden zu sein. Von den Betrügereien hätten sie nichts gewusst.
Staatsanwalt Karl-Peter Jostmeier hingegen war von der Schuld der beiden Bielefelder überzeugt. Die Einbindung in die oberste Geschäftsebene von »Mika-Strom« spreche eindeutig dafür. Jostmeier hatte für E. vier Jahre Haft, für V. und W. jeweils anderthalb Jahre Bewährungsstrafen gefordert.
Oberstaatsanwalt Burkhard Dannewald legte gestern sofortige Revision gegen das komplette Urteil (E.: zwei Jahre und neun Monate Haft; V. und W.: Freisprüche) ein. »Wir sind mit diesem Urteil nicht einverstanden«, sagte Dannewald. »Weder das Urteil noch die Entscheidung über eine Haftentschädigung sind richtig.« W. soll für zwölf Tage Huntersuchungshaft vom Staat entschädigt werden. Das Urteil sei mit dem Erfahrungsschatz eines Staatsanwaltes, der seit mehr als zwei Jahrzehnten schwere Wirtschaftskriminalität bearbeite, kaum zu vereinbaren.
Im übrigen legte Karl-Peter Jostmeier der Schwerpunktabteilung für Wirtschaftskriminalität der Staatsanwaltschaft Bielefeld gestern sein Entlassungsgesuch vor. Jostmeier scheidet damit im Alter von erst 63 Jahren vorzeitig aus dem Dienst. Nach Ansicht seiner Kollegen hat das umstrittene Urteil nicht den Ausschlag für seine Demission gegeben. Aber: »Erleichtert hat es seine Entscheidung auf jeden Fall«.

Artikel vom 26.01.2005