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Die Rückkehr riss Wunden auf

Adam und Maria König verspüren heute keinen Hass auf die Deutschen.
Von Caroline Bock
Berlin (dpa). Sie hat es nicht vergessen, ihr Leben lang nicht. »Die Ankunft in Birkenau war wie ein schrecklicher Traum«, erzählt Maria König (83). Sie und ihr 82 Jahre alter Mann Adam gehören zu den 1000 Menschen in Deutschland, die noch von den Schrecken von Auschwitz-Birkenau berichten können.
Statt zu emigrieren, haben sie sich dafür entschieden, nach dem Krieg im Land der Täter zu bleiben. Dort ist die Erinnerung an die Symbolstätte des Holocausts, wo mindestens eine Million Menschen ermordet wurden, noch immer wach.
Zum 60. Jahrestag der Befreiung durch sowjetische Truppen fliegt Bundespräsident Horst Köhler morgen nach Polen. Das jüdische Ehepaar König wird wahrscheinlich dabei sein. Eine solche Geste war nicht immer selbstverständlich: Erst seit 1996 ist der 27. Januar ein Gedenktag. Der damalige Bundespräsident Roman Herzog hatte sich dafür eingesetzt. Die Erinnerung an die Judenvernichtung und die sechs Millionen Toten war in Deutschland über Jahrzehnte Stoff von Kontroversen.
Von einem »Schlussstrich« bei der Aufarbeitung ist - zumindest öffentlich - nichts zu spüren. Jeder Schüler in Deutschland lernt, wie der Massenmord in den Gaskammern abgelaufen ist. Dabei legen viele Pädagogen Wert darauf, den anonymen, unvorstellbaren Zahlen ein Gesicht zu geben. Dazu sprechen Überlebende wie die Königs aus Berlin mit Jugendlichen. Maria König ist manchmal überrascht, wie »feinfühlig und differenziert« die Schüler sie dabei fragen.
Die gebürtige Polin, die 1944 nach Birkenau kam, verspürt keinen Hass auf die Deutschen. Sie habe sich immer nur gefragt: »Warum tun sie das?« Auch Adam König, der sechs Jahre KZ und einen der berüchtigten »Todesmärsche« überstand, ist gegen eine pauschale Verurteilung. Zwei Jahrzehnte nach Kriegsende kehrte das Ehepaar zu einem Besuch nach Auschwitz zurück. »Das hat schon Wunden aufgerissen«, sagt Adam König.
Organisiert sind viele Überlebende seit 1952 im Internationalen Auschwitz Komitee. Zunächst ging es um die Suche nach Vermissten, um Entschädigungsfragen und darum, das Lager als Erinnerungsort zu erhalten. Heute widmet sich das Komitee mit seinen 1000 großteils ehrenamtlichen Mitarbeitern Jugendprojekten und dem Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus.

Artikel vom 26.01.2005