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Leitartikel
EU-Verfassung

Den Gegnern nicht das Feld
überlassen


Von Dirk Schröder
Aller guten Dinge sind drei. Schön wär's. Auf die Ratifizierung der Europäischen Verfassung trifft das Sprichwort nur bedingt zu. Zwar hat in dieser Woche nach Litauen und Ungarn mit Italien der dritte Staat diesem historischen Projekt zugestimmt. Doch die großen Ratifizierungshürden liegen noch vor der Verfassung.
In elf der 25 Mitgliedsstaaten sind Volksabstimmungen vorgesehen - auch in so europa-kritischen Ländern wie Dänemark und Großbritannien. Aber selbst in Frankreich muss Staatspräsident Jacques Chirac wieder zittern. Das hat innenpolitische Gründe, da wollen politische Gegner Chiracs das Referendum dazu missbrauchen, ihm einen Denkzettel zu verpassen. Das hat sich Chirac aber auch selbst zuzuschreiben. Eine Kampagne pro Verfassung will nicht so recht aus den Startlöchern kommen.
Ein weitverbreitetes Dilemma in Europa. Auch in Spanien, wo das erste Referendum abgehalten wird. Die Bürger der Iberischen Halbinsel sollen in drei Wochen abstimmen und sind laut Umfragen mehrheitlich bereit zuzustimmen. Doch 90 Prozent räumen ein, wenig oder gar nichts über den Gesetzestext zu wissen.
Das ist kein Einzelfall. Es reicht nicht, darauf hinzuweisen, dass nach Jahrzehnten kriegerischer Auseinandersetzungen nun 25 Staaten zu einer Gemeinschaft verbunden seien, Europa handlungsfähiger geworden sei, und sich mit dieser Verfassung den Problemen des 21. Jahrhunderts stellen könne. Eine wirkliche Informationskampagne ist doch von praktisch keiner europäischen Regierung gestartet worden, auch nicht in Deutschland.
Stattdessen wird das Feld den häufig nicht zimperlichen Verfassungsgegnern überlassen, die es mit der Wahrheit nicht allzu ernst nehmen. Mit dem Ergebnis, dass die Bürger verunsichert werden. Dem Verfassungstext beispielsweise vorzuwerfen, die EU zu militarisieren und den Weg für eine imperiale Politik zu ebnen, ist durch nichts gedeckt und Unsinn. Etwas bleibt beim Bürger aber immer hängen, wenn er nicht ausreichend informiert ist. Es wird Zeit, dass auch in Deutschland Bund und Länder offensiver an diese Aufgabe herangehen, auch wenn die Ratifizierung durch den Bundestag sicher ist.
Es leuchtet ein, um das Bild des britischen Europaabgeordneten Richard Corbett aufzunehmen, dass man nach der Erweiterung »das Fahrzeug EU von einem Kleinbus für 15 Leute auf einen Großbus für 25 Leute« nachrüsten muss. Ein größerer Bus verlange aber auch einen stärkeren Motor, damit man hügelige Wege befahren könne. Ebenso verlange er stärkere Bremsen, mehr Sicherheit und mehr Komfort, kurzum neue Regeln.
Die Verfassung hat noch Mängel, niemand bezweifelt dies, ist sie doch ein Kompromiss von Vorstellungen und Wünschen aus 25 Ländern. Aber sie macht Europa handlungsfähiger, gibt der EU einen stabilen Rahmen. Allein das ist zunächst wichtig. Verbessert werden kann sie immer noch.

Artikel vom 28.01.2005