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Mit Vorschriften nicht
so genau genommen

Güterbahnhof: Arbeiter wurde Arm abgetrennt

Bielefeld (uko). Ein schrecklicher Unfall, bei dem ein Arbeiter auf den Gleisen des Bielefelder Hauptbahnhofs einen Arm verlor, wird strafrechtlich ohne Folgen bleiben. Das Amtsgericht Bielefeld stellte am Montag den Strafprozess gegen einen 23-jährigen Mann aus Leer in Ostfriesland ein.

Zu dem Unfall war es am 10. Februar 2004 gekommen. Auf dem Güterbahnhof wurden Gleise für den Einsatz der Nordwestbahn neu präpariert. Die Arbeiten erledigten zwei Firmen: Eine Baufirma aus Ostfriesland und eine Sicherheitsfirma aus Hamm. Als Arbeitszugführer fungierte der Paderborner Detlef Z. (alle Namen der Beteiligten geändert). Er hatte für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften zu sorgen. Das bedeutete auch, nur auf sein Geheiß durften Arbeitsmaschinen während des Fahrplanverkehrs auf den Gleisen bewegt werden.
Der 23-jährige Carsten R. führte einen Zweiwegebagger: Das Fahrzeug kann auf Schienen wie auf der Straße bewegt werden. Gearbeitet wurde an diesem Tag auf den Gleisen 339 und 340, daher musste der Bagger versetzt werden. Dafür jedoch war die Zustimmung des Arbeitszugführers Detlef Z. nötig.
Gegen 8.30 Uhr bewegte Carsten R. den Bagger rückwärts, um Material zu transportieren. Erst in letzter Sekunde fiel dem Baggerführer Detlef Z. auf, der zuvor direkt auf dem Gleis in der gleichen Richtung wie der Bagger gegangen war. Z. stürzte auf das Gleisbett, sein rechter Arm wurde von dem tonnenschweren Baugerät überrollt und abgetrennt.
Vor dem Amtsgericht gaben gestern Baggerführer, Arbeitstruppführer und auch die Arbeitskollegen zu, es mit den Sicherheitsbestimmungen nicht ganz genau genommen zu haben. So schreibt eine Betriebsanweisung (BetrA) der Deutschen Bahn für Gleisarbeiten exakt vor, jede Versetzung einer Baumaschine müsse zuvor freigegeben werden. Das bedeutete indes jede Fahrt auch auf nur einem Gleis.
Praxis der Arbeiter jedoch war es wohl, nur die Freigabe abzuwarten, sofern eine Baumaschine über eine Weiche auf ein anderes Gleis versetzt wird.
Amtsrichterin Ingrid Maatmann mochte danach an dem Angeklagten »kein Exempel statuieren«. Sie sagte zu allen Beteiligten: »Sie haben die Sicherheitsvorschriften umgangen, weil sie Zeit kosten.« Sie stellte das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ein. - Ungeklärt sind zivilrechtliche Ansprüche des Unfallopfers. Sicher ist nur, dass eine Berufsgenossenschaft wegen des Arbeitsunfalls zahlen wird. Allerdings erklärte das Unfallopfer gestern, sein Arbeitgeber habe ihm zumindest die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zugesichert.

Artikel vom 25.01.2005