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Was hat er denn schon wieder vor? Was gedenkt er denn schon wieder von unseren Geldern abzuzweigen?«
»Das entzieht sich meiner Kenntnis. Doch die neu dekorierten Räume im ersten Geschoss und eine ganze Folge herrlicher Säle hier und im Escorial bedürfen einer anspruchsvolleren Ausstattung. Dafür werde ich Tag und Nacht beschäftigt sein.«
»Anspruchsvoll É anspruchsvoll É Ich höre wohl nicht recht. Einundfünfzigtausend Dukaten ist mir die Krone seit drei Jahren schuldig! Das nenne ich anspruchsvoll!«, brüllt er aus voller Kehle.
»Immerhin hat unser König É«
»Ich beglückwünsche Euch zu diesem Auftrag!«, schneidet mir der Rüpel das Wort ab. »Ha! Ha! Für das Geld, das dort verschwendet wird, sollte ich wenigstens mit meinem ganzen Gefolge mitreisen.« Don Gaspar lacht mit heller meckernder Stimme über seine eigene Impertinenz. So ein Begleiter würde mir gerade noch fehlen É Ich verbeiße mir eine Entgegnung, denn ich bin mir im Klaren darüber, dass sich der prahlerische Knabe einen Gedankenflug erlaubt hat, den umzusetzen ihm viel zu mühsam ist.
»Leider geht es nicht«, grinst er mit schiefem Mund, »die Frauen lassen mich nicht fort.«
Ich fühle mich erleichtert und nippe an meinem Weinglas. Dabei blickt er mich lauernd an. Ich frage mich immer noch, was er von mir will. »Don Gaspar, was für einen Auftrag habt Ihr für mich? Was ist Euer Begehr?«
Die Antwort lässt auf sich warten, denn erst verschränkt er seine Arme, danach schiebt er die Lippen vor: »Könnt Ihr für mich in Italien etwas ankaufen, was in keiner Weise Euren sonstigen Auftrag berührt?«
»Ich führe keinen Ýsonstigen AuftragÜ aus. Es sind klare Anweisungen des Königs! Also, an was denkt Ihr?«
»Natürlich, natürlich! Wieder einmal unser König. Doch ich bin ein wahrer Anbeter der Kunst. Es ist bewundernswert, das Leben darin einzufangen É Versteht Ihr?«
»Ja und nein, wenn ich ehrlich bin. Nun, was die Anbetung anbelangt, da seid Ihr gewiss nicht der Einzige.«
Don Caspar erhebt sich und stolziert wie ein Flamingo durch sein Zimmer. »Ich suche überzeugende Darstellungen von Frauenschönheit É«, dringt plötzlich eine unsichere Stimme an mein Ohr. »Bilder, in denen das Weibliche so festgehalten ist, dass man sie anspringen möchte É Eine Venus, die lebt É«, sagt er kaum hörbar, während er abgewendet zu mir steht. »Ihr versteht mich?«
»Das kann kein Maler. Vielleicht solltet Ihr es mit Marmorfiguren versuchen«, halte ich ihn hin, seine Unsicherheit auskostend.
»Lasst mich mit den langweiligen Antiken in Ruhe! Die besten Figuren haben sich längst die Päpste und die römischen Adelsfamilien genommen. Alles Übrige sind dickliche Mehlsäcke mit abgeschlagenen Nasen. Es gibt selten schöne Frauen in Stein.«
»Und was soll ich dann für Euch finden?«
Don Caspar wendet sich wieder mir zu. Seine gekräuselten Augenbrauen sind über der Nasenwurzel zu einem Strich zusammengezogen. »Ich bin sicher, Ihr werdet auftreiben, was ich wünsche.«
»Ich verstehe immer noch nicht, was genau Ihr wünscht?«
»Don Diego! Spielt nicht den Ahnungslosen. Ich wünsche Zeichnungen und Bilder, in denen die lebendige Erinnerung fortlebt, sodass man das volle weiche Fleisch vor sich zu haben glaubt.«
»É das volle weiche Fleisch? Ich will Euch ja verstehen, doch was stellt Ihr Euch genau vor? Welche Art von Modell? Wie soll es beleuchtet sein? Die Wahl der Pose? Wie steht es mit Form, Farbe und Kontrast?«, versuche ich Näheres aus ihm herauszubekommen.
»Ach was! Farbe É Kontrast É! Davon verstehe ich nichts. Auf jeden Fall wünsche ich Besseres als die großen Kompositionen von Tizian, die in den Räumen des Königs hängen. Er É er hat seine Venus als Rückenansicht gemalt É und seine Danae É von vorn É« Er gerät ins Stocken.
»Ja É von vorn É und É?«
»Verdammt! Tut doch nicht so einfältig.«
»Welche Komposition?«, sage ich mit stoischer Ruhe, um ihn noch etwas mehr zu reizen.
»Allwissender, helft dem Einfältigen zu meinen Füßen!« De Haro faltet wie zum Stoßgebet die Hände.
»Der Allwissende hat nach Angabe der Bibel nie gemalt É«
Daraufhin reißt ihm fast die weiße Halskrause. »Der Allwissende hat jedoch mitbekommen, dass Tizians gieriger Gönner einmal den Blick von vorn und ein andermal den von hinten auf das nackte Fleisch wünschte!«
»Das Ganze lebensgroß?«
»Natürlich! Und völlig lebensecht. So, dass man die dargestellte Schönheit in ihrer Einmaligkeit kennen lernt. Ich will sie von mehreren Seiten bespiegelt haben. Sucht nach Abbildungen, dass einem das Blut in den Adern stehen bleibt É«, bricht es aus ihm heraus.
»Das reicht nicht. Ich benötige genauere Angaben!«
»Was? Noch genauer?«
»In Italien kann ich Euch keine Fragen mehr stellen. Also habt endlich Geduld, oder beauftragt einen anderen mit Euren ausgefallenen Wünschen.«
»Ich rate Euch zur Mäßigung, Señor Velázquez. Ihr werdet genau das tun, was ich von Euch wünsche É« Seine Stimme nimmt einen drohenden Ton an.
»Habt Ihr in den Appartements unseres Königs die Venus des Tizian angeschaut?«, versuche ich seine Erregung zu glätten.
»Gewiss, im Sommerschlafzimmer. Die ist nicht mein Fall. Da kann man nicht mehr als eine Brustseite einer dicken Person mit klobigen Fingern sehen und ein wenig Schulter von hinten, aber der Körper verschwimmt wie ein weicher Brei, und der Schoß ist verdeckt. Nein, das hat irgendein Gehilfe gefertigt, dem der große Meister seine Originalstudien sicher entzogen hat.«
»Ihr scheint ja tief in die Materie eingedrungen zu sein, Marqués«, sage ich bewusst einschmeichelnd und schenke ihm dazu noch ein Augenzwinkern, »aber die berühmten Meister wie Tizian blieben den Idealen von Proportion und Linienschönheit treu. Ihr wisst, dass Vollkommenheit aus den Studien vieler Vorbilder zusammengesetzt werden muss.«
»Wenn sie nicht lebendig wirkt, ist sie auch nicht vollkommenÉ«
»Oh! Lebendige, richtige lebendige Haut? Und darunter das feste, blühende, aufreizende Frauenfleisch? Das wollt Ihr also!«, spiele ich den bis dahin Ahnungslosen. »Nun, das ist ein Verstoß gegen die Vorschriften unserer heiligen Kirche. Mein Schwiegervater hat mir eingeschärft, lebendige Modelle nur für Antlitz und Hände zu verwenden und sonst Kupferstiche als Vorlagen zu nehmen.«
»Woran Ihr Euch offensichtlich keinesfalls haltet!«
»Ich halte mich meist an die Vorgaben meiner Auftraggeber«, entgegne ich, wobei mich seine Bemerkung etwas beunruhigt.
»Dann haltet Euch an meine Vorgaben, und malt es selbst! So lebendig, wie ich es wünsche!«
»Ich É? Ich selbst? Bedenkt, die Inquisition É«
»Lasst das Theater!«, unterbricht er mich brüsk.
»Es liegt mir fern É«
»Ich habe erst vor wenigen Tagen eine Aktstudie des Meisters Velázquez bewundert, die mir nicht mehr aus dem Sinn geht«, sagt er plötzlich mit gefährlich klingendem Unterton.
Ich blicke ihn entrüstet an. »Ihr irrt. Nicht von meiner Hand!«
»Ich irre nie, Meister É Sie war wunderschön. So verführerisch wie das Modell, nach dem sie gezeichnet war.«
»Es gibt genügend Maler in Madrid É«
»Aber nur einen Meister wie Euch! Zwingt mich nicht, Euch überführen zu müssen.«
»Hmm! Trotzdem, nichts ist bewiesen É«
»Schweigt! Ich dulde keine Widerrede!«
»So bedenkt doch: Wir ziehen den Fluch unserer heiligen Kirche auf uns herab! Die Inquisition bestraft die Einfuhr und Ausstellung solcher Bilder mit Exkommunikation, fünfhundert Dukaten und einem Jahr Verbannung!«, spiele ich den Bestürzten.
»Aber nur hier und nicht in Italien. Die spanische Inquisition wird weder im Kielwasser Eures Schiffes schwimmen noch Euren Pinsel führen.«
»Sie wird es entdecken. Ich sehe Gefahren über Gefahren É«
»Nein, sie sind beherrschbar. Was glaubt Ihr, wie viele entblößte Frauen die Wände der Schlafzimmer in Madrid zieren?«
»Das mag ja sein. Doch wie soll das Werk hierher gelangen? Soll ich etwa Euch das Gemälde bei meiner Rückkehr selbst überbringen?«
»Nein, die Aufsicht des Transportes nach Madrid wird nicht Eure Sache sein. Ihr werdet es nur ordentlich verpacken. Alle weiteren Anweisungen werdet Ihr in Rom erhalten, wenn es fertig ist.«
»Dennoch, Ihr riskiert fünfhundert Dukaten und Eure Ehre - wie ich auch.«
»Ihr geht mir langsam auf den Geist.« Vor Wut ballt er die Fäuste. »Wer soll Euch überführen? Ihr werdet doch hoffentlich Euer Monogramm nicht aus dem Schoß der Venus leuchten lassen?«
»Gewiss nicht É«
»Außerdem werde ich Euch dafür großzügig bezahlen.«
»Wie viel?«
»Seid nicht so gierig nach dem schnöden Mammon. Bei Eurer Rückkehr erhaltet Ihr Euren Lohn.«
Ich erhebe mich und spiele den Enttäuschten: »Ich verzichte auf diesen Auftrag.«
»Halt, halt! Setzt Euch. Ich will eine Ausnahme machen.« Er drückt mich zurück auf den Stuhl. »Über unseren Geschäftsträger in Neapel könnt Ihr Euch die nötige Summe für die Materialien ausbezahlen lassen, einschließlich des Honorars, das Ihr fordert.«
»Nein! Das Honorar will ich sofort. Und für meine Planungen und Ausführungen eines so heiklen Auftrages benötige ich eine großzügig bemessene Summe É«
(wird fortgesetzt)

Artikel vom 02.02.2005