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Feuer und Flamme
für den Flamenco

Kammerkonzert mit Miguel Iven

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). »Flamenco« lautete der Lockruf, dem am Sonntagabend zahlreiche Hörer trotz plötzlichen Wintereinbruchs gefolgt waren. Und sie wurden reich belohnt: Denn das Feuerwerk, das Miguel Iven, führender Flamenco-Gitarrist Deutschlands, im zweiten städtischen Kammerkonzert entfachte, ließ nordeuropäische Winterstimmung wie Eis in der Sonne dahinschmilzen.

Vergessen die Nacht, die Kälte, die Rutschpartie auf dem Weg zur Oetkerhalle. Greift Miguel Iven in die Saiten seiner Konzertgitarre, ist die Illusion perfekt. Plötzlich flirrt die Hitze über den ausgebrannten Feldern, kommen weiß getünchte Häuser maurischer Provenienz in Sicht. Manchmal ist es auch ein abendlich belebter Dorfplatz, auf dem sich Paare im Rhythmus der Musik wiegen. Mit unglaublichem Einfühlungsvermögen und virtuoser Spieltechnik macht Iven mehr als nur Musik: er zaubert zum Greifen nahe Stimmungsbilder von den Menschen und der Landschaft Andalusiens, der Wiege des tiefen Flamenco-Gesangs.
Nach seinem Studium in Hamburg hat Iven dort 12 Jahre lang gelebt, gelernt und ganz offensichtlich die Mentalität und das Lebensgefühl der Menschen in der südspanischen Provinz absorbiert. Das macht nicht nur sein Spiel, sondern auch seine Eigenkompositionen, mit denen er sich nahtlos in die Riege spanischer Flamencokomponisten einreicht, so authentisch.
Im Konzert reiht er dann die vielen Facetten des klassisch-konzertanten Flamenco launig moderierend aneinander, verknüpft sie mit kleinen Geschichten, Weisheiten und Anekdoten und scheut sich auch nicht, Persönliches preiszugeben -Ê in Tönen wie in Worten. So ist die jüngstgeborene Tochter derzeit wohl gleichermaßen Herzensinhalt wie Inspirationsquelle.
Die Palette seiner Ausdrucksmöglichkeiten hingegen ist riesig und changiert nicht selten zwischen den Antipoden von entfesselter Leidenschaft und Melancholie, Zartheit und Wildheit, Rausch und Lethargie, Impulsivität und Kalkül. Musikalisch ist Miguel Iven ein Hexenmeister wie auch ein Liebhaber. Die Virtuosität seiner Arpeggien und Tremolos lässt ebenso erstaunen wie seine feinen Anschlagsnuancen und sein Vermögen, Tempi kunstvoll zu modulieren. Überhaupt ist Verzögerung und Beschleunigung eines der Hauptcharakteristika, die seinem einfühlsamen Spiel den lebendige Drive verleihen.
Und egal, ob Iven sein rasantes, feuriges Spiel noch mit perkussiven Elementen anheizt oder in zart gezupften Melodiebögen nachdenklicher Melancholie nachgeht, stets erreicht er eine Vollendung und ansprechende Empfindsamkeit, der man sich unmöglich entziehen kann. Solchermaßen mit dem Flamenco-Virus geimpft, erklatschte sich ein restlos begeistertes Publikum noch eine sonnige Zusatz-»Injektion«.

Artikel vom 25.01.2005