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»Unsere Arbeit wird zu oft negativ dargestellt«

Eva-Maria von Haugwitz nach 24 Jahren als Pflegedienst-Leiterin in Ruhestand verabschiedet

Von Paul Siegfried Schulz
Brackwede (WB). Eva-Maria von Haugwitz (»Schwester Eva«) kam 1981 als Pflegedienstleiterin an das Johann-Heermann-Haus. Jetzt wurde sie im Rahmen einer Feierstunde in den Ruhestand verabschiedet und mit dem Kronenkreuz, der höchsten Auszeichnung der Diakonie, geehrt.

In diesen 24 Jahren hat sie die großen Veränderungen miterlebt, den Altenheimen unterworfen sind. Als sie im Johann-Heermann-Haus anfing, damals noch unter Leitung von Diakon Rolf Bielke, sei das Altenheim ein »fideles Haus« gewesen, mit aktiven Senioren. Man habe Ausflüge unternommen, Fahrten und im Haus sei immer was los gewesen. Von den damals 127 Bewohnern seien etwa 30 Pflegefälle gewesen.
Doch in den 80-er Jahren begann sich die Situation immer mehr zu verändern - die Pflegefälle nahmen zu, Pflegeetagen mussten eingerichtet werden, die Zahl der aktiven Bewohner und Bewohnerinnen nahm beständig ab. Heute seien Altenheime überwiegend Pflegeheime mit nur noch einem kleinen Anteil Nicht-Pflegebedürftiger. »Die Menschen sind früher in ein Altenheim gegangen, weil sie nicht allein zu Hause leben wollten. Heute kommen sie, weil sie sich selbst mit ambulanter Hilfe nicht mehr versorgen können.«
Verändert hat sich auch die Altersstruktur. Die Heimbewohner werden älter. Gab es über viele Jahre hinweg keinen 100-jährigen Geburtstag im Heim zu feiern, so waren es im vergangenen Jahr schon drei Bewohner, die 100 Jahre alt wurden. Verringert hat sich indessen die Aufenthaltsdauer. Lag die in den 80-er Jahren noch bei acht Jahren, so beträgt sie heute im Durchschnitt drei Jahre. Begründet durch die große Zahl der pflegebedürftigen Bewohner.
Was die Aufgabe des Pflegepersonals nicht einfacher machte. Dennoch war es stets das Ziel von Eva-Maria von Haugwitz, dass die Menschen sich trotz ihres eingeschränkten Lebens wohl fühlen sollten. »Jeder«, sagt sie, »habe das Recht, so zu leben, wie er möchte.« Und so suchte sie über den täglichen Dienst hinaus den Kontakt mit den Menschen im Heim, besuchte sie an ihren freien Wochenenden, sprach mit ihnen, auch um herauszubekommen, wo der Schuh drücken könnte. »Helfen«, sagt sie ganz einfach, »anderen zu helfen war und ist immer mein Anliegen.«
Kritik übt sie daran, dass die Arbeit in den Altenheimen in der Öffentlichkeit meistens sehr kritisch, manchmal negativ dargestellt werde. Dem sei aber nicht so, sagt sie energisch. Die gute Arbeit dringe kaum nach draußen, auch, weil die zu pflegenden Menschen sich kaum noch artikulieren könnten. Das auch einmal etwas schief laufe, gebe es überall, in jedem Beruf und in jeder Einrichtung.
Geboren wurde die heute 62-Jährige in Pillnitz bei Dresden. 1947 ging die Familie über die »grüne Grenze« nach Dortmund, 1952 kam sie nach Bielefeld. Hier absolvierte sie von 1960 bis 1962 am Krankenhaus Mitte ihre Ausbildung zur Krankenschwester, arbeitete von 1963 bis 1975 in Augsburg, kam zurück und arbeitete als Krankenschwester im Klinikum Rosenhöhe. 1981 dann übernahm sie die Leitung des Pflegedienstes im Johann-Heermann-Haus.
Ob die stetig steigende Zahl älterer Menschen in Zukunft nicht mehr Alten- und Pflegeheime erfordere? »Nein«, sagt sie. Das glaube sie nicht. Was aber mehr angeboten werden müsse, wofür auch mehr Werbung gemacht werden sollte, sei die ambulante Pflege, die den Heimaufenthalt mit seinen hohen Kosten doch hinauszögern würde und die Menschen in ihrer gewohnten Umgebung beließe.
Verabschiedet wurde sie mit einem von Pastorin Anke Leuning gehaltenen Gottesdienst im großen Speisesaal des Hauses. Anschließend würdigte Pfarrer Berthold Schneider, Vorsitzender des Verbandes der Evangelischen Kirchen in Brackwede, die ausscheidende Pflegedienstleiterin als »Institution des Hauses«. Und zeichnete sie mit dem Kronenkreuz aus.
Doch so ganz Ruhestand wird es nicht geben. Eva-Maria von Haugwitz wird sich ehrenamtlich für die Hospizarbeit im Bielefelder Süden engagieren.Ein gemeinsamen Anliegen mit Pfarrer Schneider, der auch verkündigen konnte, dass es schon eine Ausbildungsgruppe für diese Hospizarbeit im Süden gibt. Schneider: »Eva-Maria von Haugwitz wird uns weiter erhalten bleiben. In anderer Funktion.«
Nachfolgerin wird zum 1. Februar Lyanne Kemler, die zurzeit noch Pflegedienstleiterin in der Weserbergland-Klinik in Höxter ist. Dann wird sie die Arbeit des 80-köpfigen Pflegepersonals für die derzeit 137 Heimbewohner koordinieren.

Artikel vom 25.01.2005