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Schröder: NPD-Verbot denkbar

Staatsanwalt darf nicht gegen umstrittene Abgeordnete in Sachsen ermitteln

Berlin (Reuters/AP). Trotz aller Skepsis untersucht die Bundesregierung nach Worten von Bundeskanzler Gerhard Schröder weiterhin alle Möglichkeiten, ein Verbot der rechtsextremen NPD zu erwirken.

»Es wird zu prüfen sein, ob es eine Chance gibt, die Justiz von der Notwendigkeit eines Verbots dieser Partei zu überzeugen«, sagte Schröder (SPD) gestern in Berlin. Zwar sei die Skepsis nach dem vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterten Verbotsantrag berechtigt. Es müsse jedoch mit allen politischen Mitteln ein entschiedener Kampf gegen Rechtsextremisten geführt werden.
Bundesinnenminister Otto Schily sagte dagegen, derzeit sehe er für ein neues Verbotsverfahren angesichts der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten hohen Hürden und der Zusammensetzung des zuständigen Verfassungsgerichts-Senats keine Gelegenheit. Er kündigte einen Vorstoß für eine Verschärfung des Versammlungsrechts an. Spitzenpolitiker von SPD, Grünen und CDU wollen eine für den 60. Jahrestag des Kriegsendes geplante Demonstration der NPD am Brandenburger Tor in Berlin verhindern.
Schröder wies darauf hin, dass Ereignisse wie die im sächsischen Landtag auch international mit großer Aufmerksamkeit wahrgenommen würden. »Diese für uns abstrusen Haltungen tragen nicht zum Bild bei, das wir wollen.« Deutschland sei ein Land, das aus seiner Geschichte gelernt habe und in dem Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus keine Chance hätten. Die Ereignisse in Dresden hätten gezeigt, dass die NPD eine Partei sei, die nichts mit dem Grundgesetz im Sinn habe.
Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber hat einem neuen Verbotsverfahren gegen die NPD keine Chancen eingeräumt und stattdessen einen politischen Kampf gegen »die braune Soße« gefordert. Das 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterte Verfahren jetzt wieder aufleben zu lassen, mache keinen Sinn, sagte der bayerische Ministerpräsident. Man dürfe Sachsen mit dem NPD-Problem nicht allein lassen, mahnte Stoiber. Vielmehr müssten nun alle gesellschaftlichen Gruppen die Auseinandersetzung mit der NPD »hart suchen«.
Trotz breiter Empörung über den NPD-Eklat im sächsischen Landtag nimmt die Staatsanwaltschaft Dresden keine Ermittlungen gegen NPD-Abgeordnete wegen des Verdachtes der Volksverhetzung auf. Das sagte Oberstaatsanwalt Andreas Feron gestern. Laut Feron genießen Abgeordnete des sächsischen Landtages nach Artikel 55 der Landesverfassung und nach dem Grundgesetz für Redebeiträge im Plenum absoluten Schutz vor Strafverfolgung. Einzige Ausnahme seien verleumderische Beleidigungen. Abgeordnete seien wegen ihrer Immunität außerhalb des Parlamentes und wegen ihrer Indemnität innerhalb des Plenums geschützt.
Die NPD-Abgeordneten hatten bei einer Schweigeminute zum Gedenken an die NS-Opfer am vergangenen Freitag den Plenarsaal verlassen. Später setzten sie in Redebeiträgen die Vernichtung der Juden im Dritten Reich und die alliierten Bombenangriffe auf Dresden am 13. Februar 1945 mit dem Wort »Bombenholocaust« gleich und leugneten einen Kausalzusammenhang mit dem Angriffskrieg des Deutschen Reichs. Nach Angaben von Feron bleibt auch die Pressemitteilung der NPD-Fraktion, in der im Nachgang der Redebeiträge noch einmal vom »Bombenholocaust« gesprochen wurde, straffrei.

Artikel vom 25.01.2005