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Politik statt Handball: Schraps im Bundestag

HSG-Nachverpflichtung aus 2. Liga steht unmittelbar bevor - Ruwe »tendenziell einsetzbar«

Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Es war eine wahre Steinlawine, die vom Herzen all jener rumpelte, die es mit der HSG Bielefeld hielten. »Das gibt Sicherheit. Wir leben noch«, übermittelte ein schwer atmender Rechtsaußen Marcel »Torpedo« Volmer der Handballgemeinde nach dem überzeugenden 31:26-Heimtriumph über den hohen Favoriten Wermelskirchener TV. Kapitän Michael Boy freute sich über »vier Punkte«. So kann's weitergehen.

Ein zufriedener Christoph Mylius strahlte wiederentdecktes Selbstvertrauen aus. »Wir wussten, dass Wermelskirchen keine Übermannschaft ist«, meinte der zehnfache Torschütze. »Nach dem 4:7 ist ein Ruck durch die Mannschaft gegangen. Es lief wie aus einem Guss. Wir konnten machen, was wir wollten. Ein ganz, ganz wichtiger Sieg«.
Nach langer Zeit demonstrierte die HSG Bielefeld das, was Heiko Holtmann im Hallenpamphlet »HSG aktuell« in seinem Trainerwort beschwor. »...Wir wollen heute zeigen, dass wir sicherlich besser sind, als es der derzeitige Platz suggerieren mag...«, war dort zu lesen. Den frommen Wunsch setzte seine Mannschaft in die Tat um. Nicht 40, nicht 50, sondern endlich mal 60 Minuten. Schmunzelte Holtmann hinterher: »Ich habe ehrlich gesagt nicht damit gerechnet. Hut ab«.
Vielleicht war es ja die individuelle Schulung des Deckungsverhaltens in der Trainingswoche, die den Ausschlag gab. Angesichts des akuten Personalengpasses war an Systemübungen nicht zu denken.
Aber: Saisonsieg Nummer sechs kostete Kraft. Insbesondere im Positionsangriff sechs gegen sechs schufteten sich die HSG-Spieler einen Wolf. Beim abendlichen gemeinsamen Essen im Gasthaus Werning's Hof appellierte Holtmann: »So muss es weitergehen, trotz der engen Personaldecke, trotz des Kraftaufwandes«.
Gestern war Wunden lecken angesagt. Zu den »Sorgenkindern« Boy (Fuß), Wagner (Schulter) und Gote (Wade) gesellte sich auch noch Lars Deppe, der im zweiten Durchgang umgeknickt war und heute vorsichtshalber zum Röntgen geht. Linksaußen Johannes Schraps wird womöglich bis zum Ende der Saison aussetzen müssen. Doch so bitter seine Kreuzbandverletzung ist; er hätte in nächster Zeit ohnehin kaum zur Verfügung gestanden. Vom 7. Februar an bis Ende März absolviert der Politikwissenschaft-Student ein Praktikum in Berlin bei der SPD-Bundestagsabgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller (Wahlkreis Hameln-Pyrmont). »Gegen Leichlingen werde ich mich nochmal auf die Bank setzen«, sagt Schraps; in der Hoffnung, nicht eingreifen zu müssen. »Das hätte auch Einfluss auf den Meniskus«. Heiko Holtmann hat schon erklärt, dass er um seine »Verantwortung gegenüber dem Spieler« wisse und die Gesundheit eindeutig vorgehe.
Derweil richtet sich der Blick des zweiten HSG-Linksaußen Sven Stühmeier nach dessen neuerlicher Kreuzbandoperation kurz vor Weihnachten nach vorne. »So kann ich nicht aufhören, das ist amtlich«, versprach Stühmeier, der einen Vertrag bis 2006 hat. Nach fünfmonatiger Pause möchte »Stühmi« im Sommer an seinem Comeback feilen. »Ich habe mich beim ersten Mal wieder rangekämpft, warum sollte es nicht ein zweites Mal klappen«.
Die »Seuche« bei der HSG Bielefeld verschont auch den A-Jugendbereich nicht. Mit Till Deutschmann (Schmerzen im Mittelfußbereich) und Florian Korte (umgeknickt) erwischte es am Samstag in Lemgo zwei potenzielle Nachrücker für den Regionalligakader. Ärgerlich, da Heiko Holtmann seinen Kollegen Martin Räber vor dem Spiel in Leichlingen um Leihgaben bitten möchte.
Doch es besteht Anlass zur Hoffnung. Nicht nur, dass Geschäftsführer Manfred Quermann von »positiven Gesprächen mit einem neuen Sponsor« zu berichten weiß; noch in dieser Woche soll - nach Abstimmung mit dem Beirat - eine Nachverpflichtung aus der 2. Bundesliga perfekt gemacht werden. Da Johann-David Starcks Schultergeschichte ein Fall für die Berufsgenossenschaft ist, sind finanzielle Mittel für einen Transfer frei geworden.
Auch soll für Heiko Ruwe, am Samstag als »Co« auf der Bank, ein Pass beantragt werden. »Das macht Heiko mir zuliebe, wir sind gute Freunde«, erläutert Holtmann. Der Linkshänder hatte im Zweitliga-Aufstiegsjahr bis Mai 1994 im TSG-Dress gespielt und in 28 Einsätzen zwölfmal getroffen. Als »tendenziell einsetzbar« bezeichnet Holtmann seinen Kumpel, der ein Mal pro Woche mittrainiert und hinterher geplagt ist von Knieproblemen. Trotz aller Erfahrung - Wunderdinge seien von dem 36-Jährigen nicht zu erwarten. Ruwe: »Ich habe zuletzt im April 2004 gespielt; auf Kreisebene beim TuS Spenge II«.

Artikel vom 25.01.2005