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Leitartikel
Wahlen im Irak

Je früher,
desto
besser


Von Dirk Schröder
Am Sonntag sollen nach Jahrzehnten die ersten freien Wahlen im Irak abgehalten werden. Freie Wahlen? Ein Meilenstein auf dem Weg zur Demokratie in dem Land zwischen Euphrat und Tigris, wie von der US-Regierung dargestellt, sind sie sicher nicht. Auf dem Papier kann zwar jeder Iraker sein demokratisches Wahlrecht ausüben. Doch wenn die Sunniten zum Wahlboykott aufrufen, Kandidaten nach Morddrohungen schon vor dem Wahltermin den Rückzug antreten und den Wählern beim Gang an die Urne massivste Terroranschläge drohen, wird ein repräsentatives Ergebnis nicht zustande kommen.
Es ist dennoch richtig, dass die USA massiven Forderungen, die Wahlen zu verschieben, nicht nachgegeben haben. Von den Befürwortern einer Verschiebung wird als Grund angeführt, das Land sei noch nicht reif für Wahlen und werde anschließend im Bürgerkrieg aufgerieben.
Noch tiefer kann das Land jedoch nicht in Terror und Chaos versinken. Jeder Zeitpunkt scheint im Augenblick der falsche zu sein. Es muss aber irgendwann ein neuer Anfang gewagt werden. Und je früher, desto besser. Es ist keine Lösung, die Wahlen zu verschieben, damit werden nur die terroristischen islamistischen Erpresser gestärkt, die an einer Stabilisierung des Landes alles andere als interessiert sind.
Wie es tatsächlich nach dem kommenden Sonntag im Irak weitergehen wird, niemand wird es vorhersagen können. Wahrscheinlich ist, dass der Terror wie bisher zunächst andauern wird. Die Terroristen haben eine Welle der Gewalt ja bereits angekündigt.
Dennoch wird von der nächsten Woche an vieles anders sein. Die dann gewählte Regierung dürfte es leichter haben, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Diese Chance hatte die derzeitige Übergangsregierung nicht. Von den verhassten Besatzern eingesetzt, ist sie immer misstrauisch beäugt worden.
Präsident George Bush hat zwar gesagt, die US-Truppen würden so lange im Irak bleiben, »bis der Job erledigt« sei. Zwar lässt sich Bush von den sich häufenden Rückzugsforderungen im eigenen Land und der Aufforderung des Bündnispartners Großbritannien, einen konkreten Rückzugstermin zu nennen, nicht unbedingt beeindrucken. Der US-Präsident ist sich dennoch mittlerweile der Fehler bewusst, die seine Regierung und das Militär im Irak gemacht haben.
Wenn der politische Übergang gelingen soll, kann es die Aufgabe der USA in diesem Jahr nur sein, der künftigen Regierung den Rücken zu stärken sowie die irakischen Sicherheitskräfte so weit zu stärken, dass sie überwiegend allein versuchen, des Terrors und des Chaos' Herr zu werden.
Vielleicht gelingt es der irakischen Nationalversammlung dann, bis zum Herbst eine Verfassung auf die Beine zu stellen. Ein Meilenstein für die Zukunft des Irak sind die Wahlen am Sonntag also auf keinen Fall. Hoffentlich aber ein erster, kleiner Schritt zu einem freien und friedlichem Land.

Artikel vom 26.01.2005