22.01.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Auf die Balance kommt es an

Deutschlandpremiere des Jeunet-Films »Mathilde - Eine große Liebe«

Hamburg (dpa). Mit großem Erfolg hat der französische Filmstar Audrey Tautou mit dem Film »Mathilde - Eine große Liebe« ihre Deutschland-Premiere gefeiert. Der Film von Jean-Pierre Jenuet kommt am nächsten Donnnerstag in die Kinos.
Bei der Premiere in Hamburg: Audrey Tautou und Regisseur Jean-Pierre Jeunet.Foto: AP

Audrey Tautou («Die fabelhafte Welt der Amélie«) hat einen guten Grund, an die große und ewige Liebe zu glauben. »Meine Großeltern sind schon seit 66 Jahren verheiratet. Das ist doch ein gutes Beispiel, dass es passieren kann«, erzählte Tautou am Freitag nach der Deutschlandpremiere.
Die 26-Jährige spielt eine junge Frau, die nach dem Ersten Weltkrieg jahrelang ihren angeblich gefallenen Verlobten Manech sucht. Ein zusätzlicher Anreiz zum Besuch ist sicherlich ein Kurzauftritt von Jodie Foster, die sich selbst an Jeunet gewandt hatte, weil sie gern in einem französischen Film mitspielen wollte.
Jeunet berichtete am Freitag, er habe sich mit Foster in dem Café getroffen, in dem er »Die fabelhafte Welt der Amélie« gedreht hat. Wie immer seien Touristen dagewesen, um das Lokal zu fotografieren. Die Chance, dort den »Amélie«-Regisseur und Foster aufs Foto zu bekommen, hätten die Touristen aber nicht genutzt. »Im Gegenteil, wir wurden gebeten, kurz zur Seite zu rücken.«
Die Mischung aus Kriegs- und Liebesfilm ist heikel: Zu viel Schmachten ist unmodern. Zu viel Schlachten schreckt das Publikum ab. Auf die Balance kommt es an.
Ein annähernd perfektes Gleichgewicht zwischen Sehnsucht und Grausamkeit erreicht »Mathilde - Eine große Liebe«. Jeunet hat einen typischen Jeunet-Film über den Ersten Weltkrieg gedreht. Das Ergebnis ist ähnlich und doch ganz anders als »Amélie«: Französisch, melodramatisch und schön.
Audrey Tautou hält sich als Mathilde wohltuend zurück. Sie ist das ruhig strahlende Zentrum der verstrickten Handlungsstränge, die Jeunet, einer der kreativsten Köpfe auf dem Regiestuhl, als Puzzlespiel mit allen Mitteln der Kinokunst aufbereitet. Wie schon in »Amélie« verstreut er kleine, seltsame Rückblenden und Porträtfetzen in die Handlung und kreiert sepiagetönte Bilder von traumhafter Schönheit. Aber wie seine eigensinnige Heldin verliert auch er in der Fülle seiner Ideen niemals den Faden. Der führt ihn bei aller Hingabe an seine Darsteller direkt in das Herz des Krieges: Selten sind Dreck und Blut, Angstschweiß und Niedertracht im Schützengraben so intensiv spürbar gewesen. Stilistisch meisterlich inszeniert, schärft die Liebesgeschichte den Blick auf das menschenverachtende Grauen.

Artikel vom 22.01.2005