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Integration erfordert Anstrengungen aller: darin waren sich Peter Buchmann, Wolfgang Stadler (beide AWO), Ministerin Ute Schäfer und deren Abteilungsleiter Klaus Schäfer einig.

»Sprachcamps«
als Grundlage
für Integration

AWO-Workshop setzt auf neue Ideen

Von Ulrich Hohenhoff
(Text und Fotos)
Sennestadt (WB). »Wichtigste Voraussetzung für eine Integration von Aussiedlerkindern ist die sprachliche Eingliederung, das Beherrschen der deutschen Sprache«, erklärte Nordrhein-Westfalens Schul-und Jugendministerin Ute Schäfer gestern bei einem von der AWO Ostwestfalen-Lippe organisierten offenen Workshop im Sennestädter »Haus Neuland«.

Noch in diesem Sommer soll mit der Durchführung von »Sprachcamps«, erfolgreich ausprobiert in Gelsenkirchen, begonnen werden. »Die Kombination von Ferien und Intensiv-Sprachkursen kann ein Weg sein«, ist sich Ute Schäfer sicher. »Und mit den Kindern kommen auch die Mütter«. Integrationsanstrengungen müssten in vielen Bereichen verstärkt, durch neue Schwerpunktsetzungen, Justierungen und Vernetzungen eine noch bessere Wirksamkeit der Maßnahmen in Schule und Jugendhilfe erreicht werden. Von dem Workshop erhofft sich die Ministerin »Handlungsanforderungen, die bei der Politikgestaltung in diesem Feld helfen können«.
Und genau darum stieß die Tagung zur Situation jugendlicher Aussiedlerinnen und Aussiedler in Ostwestfalen-Lippe auf so großes Interesse. Rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Bereichen Migrationsfachdienste, Jugendarbeit, Schule, Polizei, kommunale Institutionen, freie Verbände und Landeseinrichtungen waren gekommen, um Beispiele und Möglichkeiten vernetzter Integrationskonzepte zu diskutieren, Verbesserungen und Lösungen zu erarbeiten.
Ostwestfalen-Lippe erfreut sich bei Zuwanderungen aus Osteuropa und aus den ehemaligen Sowjetrepubliken einer großen Beliebtheit. AWO-Bezirksgeschäftsführer Wolfgang Stadler: »Durch hohe Zuzugszahlen in den letzten beiden Jahrzehnten ist die Integration von Aussiedlerinnen und Aussiedlern in unserer Region zu einer besonderen Herausforderung geworden«.
Das zeige sich in nahezu allen politischen Handlungsfeldern, ganz besonders aber in den Schulen, der Jugendarbeit, bei den Migrationsfachdiensten, in der kommunalen Verwaltung und in der Arbeit der Polizei. »Gesellschaftliche Integration kann nur gelingen, wenn viele Akteure zusammenarbeiten«. Als Wohlfahrtsverband sei die Arbeiterwohlfahrt intensiv in die fachlichen Entwicklungen der Kinder- und Jugendhilfepolitik sowie in die Migrations-und Integrationspolitik eingebunden. »Wir versuchen, immer wieder neue Impulse zu setzen und Innovationen voranzubringen«. Besonderer Schwerpunkt künftiger Arbeit mit den Zielgruppen in OWL werde es sein, neue Angebote zur sprachlichen Förderung zu entwickeln und gemeinwesenorientierte Strukturen aufzubauen. Die Aufgaben könne allerdings niemand, auch kein Wohlfahrtsverband, allein angehen. »Wir sind deshalb auf Zusammenarbeit angewiesen«.
Und genau an diesem Punkt setzte Ministerin Ute Schäfer nach. »Trotz vieler positiver Ansätze habe ich den Eindruck, dass wir noch zu wenig miteinander arbeiten und uns zu wenig abstimmen. Die zentralen Bildungs-und Erziehungsinstitutionen wissen oft kaum, wer welche Arbeit mit welcher Zielgruppe leistet«. Gebraucht würden flächendeckende Verbundsysteme und mehr sozialraumbezogene Konzepte. Mit 126 000 Schülerinnen und Schülern seien Aussiedlerkinder nach den türkischen Kinder (180 000) die zweitgrößte Gruppe von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Die Gemeinde Augustdorf sei in NRW die Kommune mit dem höchsten Migrantenanteil, 48 Prozent aller Schüler hätten hier keinen deutschen Paß.
Schäfer warnte vor Pauschalisierungen, wenn von Gewalt und Brutalität gezeichnete Übergriffe jugendlicher Aussiedler Schlagzeilen machten. »Der überwiegende Teil dieser Jugendlichen, die oftmals gegen ihren Willen ihr Heimatland verlassen mussten und ihrem Kulturkreis entrissen wurden, ist unauffällig, will für sich eine Perspektive entwickeln, ist sogar relativ gut integriert«. Integration sei ein dynamischer Prozess, »in der sich Mehrheitsgesellschaft und Zugewanderte aufeinander zu bewegen und sich miteinander arrangieren«. Eine klare Absage erteilte die Ministerin Desintegrationsinteressen, wenn etwa aufgrund religiöser Zugehörigkeiten Eltern ihre Kinder nicht in die Schule schickten. »Schulpflicht ist Kinderrecht, der Staat muss hier Grenzen setzen«.

Artikel vom 22.01.2005